Junge, Junge, Junge hat das Santa Monica Studio da einen Hammer herausgebracht. Oder wohl eher eine Axt – exklusiv auf der Sony Playstation 4. Mit God of War erfährt eine ehemals von Wut getriebene Hack’n Slay Serie ein erfrischendes Reboot. Denn auch wenn der neueste Ableger als Fortsetzung interpretiert werden kann, erzählt er die Geschichte von Kratos doch völlig anders.
Kratos ist nicht nur sichtbar gealtert, er scheint auch besonnener geworden zu sein. Statt seiner bekannten Chaosklingen führt er nun eine Frostaxt, die das Kampfsystem komplett umkrempelt und neue Taktiken ermöglicht. Ach und er ist inzwischen wieder Vater. Aber der Reihe nach.
God of War – God of Graphics?
Es liegt einem nicht fern zu denken, dass God of War aufgrund der langen Entwicklungszeit und den Erwartungen eine Vorzeige-Tech-Demo für die PS4 Pro werden sollte. Dem ist auch so. Allerdings ist es den Entwicklern gelungen auch aus der ursprünglichen Playstation 4 alles herauszuholen. Die Charaktermodelle sind gestochen scharf, vor allem bei Kratos lassen sich die Poren und Barthaare zählen. Insgesamt ist die eigentlich düstere Welt sehr bunt und lebendig.

Anders als bei Branchenriesen wie Witcher 3 gibt es weniger NPCs oder frei umherlaufende oder gar respawnende Gegner – aber die braucht es auch gar nicht. Im frostigen Norden bekommen wir glücklicherweise nicht nur Schnee zu sehen, auch grüne Abschnitte erfreuen das Auge. Hinzu kommen Dungeons, Höhlen und andere Teilgebiete für die nötige Abwechslung.
Nicht zu vergessen sind die unterschiedlichen Welten, die spätestens nach dem Ende der Hauptstory bereist werden sollten. In allen Ecken dieser Dimensionen lauern starke Endgegner, zahlreiche Minibosse und kleinere aber durchaus fordernde Gegnerwellen. Diese sehen allesamt großartig aus und transportieren gleichermaßen Bedrohung als auch optisches Vergnügen für den geneigten Rollenspiel- und God of War-Fan.

Kritik an der visuellen Darstellung ist schwierig zu finden. Hier und da verschwimmt das Bild etwas, was auch der beschränkten Leistung der im Test genutzten “Standard” PS4 geschuldet sein wird. Auch die fehlenden 60 FPS stören nicht. Alles wirkt flüssig und wie aus einem Guß. Gerade in Kämpfen, die große Ressourcen benötigen, behilft sich das Spiel mit Unschärfe statt mit Framedrops. Das fällt aber auch erst in der Nachbetrachtung von Spielaufnahmen ins Auge. Während der Action hat das Auge gar keine Zeit für Analysen.
Kurzum ist God of War das grafisch schönste Spiel auf der PS4 seit Infamous: Second Son. Beide Games liefern somit auf visueller Ebene den Beweis, dass Systemoptimierung eine Menge ausmachen kann. Grüße an Bluehole!
Vom Monster zum Vater
Der God of War, Kratos, seines Zeichens Gottschlächter und Vernichter von unzähligen Gegnermassen hat eine neue Lebensaufgabe – seinen Sohn Atreus aufzuziehen. Doch zu Beginn der gemeinsamen Geschichte, die übrigens im hohen, skandinavischen Norden spielt, müssen Vater und Sohn zunächst einen schweren Verlust verkraften. Die Mutter des Jungen, genannt Faye, ist verstorben und soll nun ihren letzten Willen bekommen. Am höchsten Punkt Midgards soll ihre Asche verstreut werden.
Kratos scheint bisher nicht wirklich für seinen Sohn dagewesen zu sein, denn er weiß im Prinzip nichts über seine Fähigkeiten. “Kannst du jagen?” ist die erste große Frage mit der die Reise der beiden beginnt. Auf der Pirsch nach einem speziellen Hirsch offenbart sich, dass der Gott des Krieges als Vater noch viel lernen muss. Atreus hingegen bringt einige Basis-Skills mit, die aber allesamt ausbaufähig sind.

Im Verlauf des Spiels wird die Bindung zwischen den beiden größer, sie lernen sich kennen, verstehen und lieben. Auf eine sehr spezielle Art erlebt Kratos die Persönlichkeitssprünge eines Heranwachsenden vor, während und nach der Pubertät. Diese haben aber mit seinem Alter nichts zu tun. Vielmehr bringt seine Herkunft Atreus in einen schizophrenen Zwist mit sich selbst.
[SPOILER-ALARM]
Wie sich herausstellt ist Atreus kein normaler Junge, natürlich nicht – sein Vater ist ja immerhin Kratos. Doch auch seine Mutter war kein Mensch, sondern eine Riesin. Damit vereint der Sohn des Kriegsgottes zwei Welten in sich und muss mit diesem Schicksal während der Hauptstory immer wieder kämpfen.
Dieses Ringen ist großartig inszeniert und wirkt sehr glaubhaft. So brechen die ihm unbekannten Kräfte mehrfach aus ihm heraus als er eine ganze Armee von Dunkelalben abschlachtet oder seinen Vater gegen einen der Söhne Thors verteidigen möchte. Als er schließlich erfährt, was er ist, beginnt er sich arrogant in seiner vermeintlichen Überlegenheit zu sonnen.

Später wird klar, dass Atreus gegen ein anderes Ich ankommen muss, das diese Neigungen mit sich bringt. Welches andere Ich das ist, wird sehr spät im Spiel erst offenbart. Der Junge bekam in der Welt der Riesen einen gänzlich anderen Vornamen. Anhand dieses Namens haben sich innerhalb kürzester Zeit unglaubliche Fan-Theorien entwickelt, die zum größten Teil auch auf der nordischen Mythologie beruhen und damit durchaus glaubhaft sind.
Übrigens…
Die Freunde der alten Teile kommen auf alle Fälle auch auf ihre Kosten. Als Atreus krank zurückbleibt und Kratos sich aufmacht das Heilmittel zu besorgen, gräbt er seine Chaosklingen aus dem Keller des Hauses aus. Das Kampfsystem wandelt sich ab diesem Zeitpunkt massiv. Hack and Slay in Perfektion, sowie die Möglichkeit nahezu nahtlos zwischen Axt und Klingen zu wechseln. Diese Dynamik lässt neue Taktiken zu und verteilt noch mehr Schaden als die Leviathanaxt zuvor.

Freunde, Feinde, Helferlein
Auf der Reise zum höchsten Punkt dieser Welt begegnen unseren Protagonisten einige wenige andere Charaktere, die auf gute oder böse Art zum Plot und der Stimmung beitragen. Die wichtigsten, abgesehen von Kratos und Atreus, seht ihr hier in der Kurzübersicht:







All diese Charaktere bestechen durch passendes Auftreten gemäß der gebotenen Situationen. Freya entpuppt sich im späteren Verlauf als Baldurs Mutter, die durch ihre Überfürsorglichkeit ein Monster aus ihrem Sohn gemacht hat. Baldur lebt den schieren Wahnsinn und erinnert in seiner Art und Weise an den ikonischen Antagonisten Vaas aus Farcry 3.
Die beiden Zwerge Brok & Sindri sind die Schmiede des Spiels. Eigentlich tragen sie zur Geschichte nicht viel bei, erfüllen ihre Rolle aber exzellent und sind praktischerweise immer da, wo man sie braucht. Das Katz und Maus Spiel der beiden zunächst entzweiten Brüder sorgt für eine großartige Situationskomik. Es gab schon gesichtslosere Waffenverbesserer in Spielen.
Jörmungandr, oder die Weltenschlange, ist ein wichtiger Verbündeter auf unserem Weg. Ihre Herkunft ist bis zum Ende unklar, wird aber durch die nordische Mythologie gut gestützt.
Mit Mimir haben Kratos und Atreus einen Mitstreiter an ihrer Seite, der mit Sarkasmus und nützlichen Hinweisen zum Spielgefühl beiträgt. Bei längeren Paddelpassagen über den See der Neun erzählt Mimir immer wieder alte Geschichten über sich, Odin und die nordische Welt. Hervorragend verpackter Lore.
Was noch?
Neben der großartigen Geschichte bietet God Of War eine riesige Welt zum erforschen. Zwar wirkt die Karte zunächst sehr kompakt, doch die unterschiedlichen Weltentore und verwinkelte Rätselpassagen geben der Umgebung reichlich Tiefe. Besonders fordernd sind die Ausflüge nach Nilfheim, der Welt des Nebels, und Muspelheim, der Welt des Feuers. Beide Orte warten mit schweren Prüfungen auf.
In Nilfheim gilt es zu grinden. Die Karte verändert sich bei jedem Durchlauf immer wieder um kleinere Elemente wie Fallenarten oder Positionierung von Kisten. Das Ziel ist es, drei große Weltenrisse in der Mitte zu schließen. Der Umfang und die Menge der benötigten Durchläufe waren nicht wenig, aber gerade noch nicht zuviel, um genervt zu sein. Achja, vergesst nicht, die Walküre inmitten des Labyrinths zu besiegen.
In Muspelheim warten Prüfungen. Auf sechs “Stufen” müssen jeweils Kämpfe mit bestimmten Bedingungen erfüllt werden. Gerade die “nimm keinen Schaden” Variante zerrt an der Menschlichkeit. Auch hier wartet am Ende eine Walküre. Ist diese besiegt gehen die Herausforderungen mit strammeren Zügeln von vorne los. Puh.
Und dann war da ja noch der Kampf gegen die Königin der Walküren…
Fazit
Es gibt schlichtweg keine Kritik. Das Spiel besticht auf allen Ebenen durch Großartigkeit. Der Umfang wiegt den Kaufpreis um ein Vielfaches auf, der Soundtrack ist unglaublich gut. Die erzählten Geschichten sind glaubwürdig und sorgen für eine enge Bindung zu den Protagonisten. Selbst Baldur war am Ende in seiner Boshaftigkeit irgendwie zu verstehen. Selten hat ein Spiel gleichermaßen Leere wie Zufriedenheit nach dem letzten Bosskampf in mir ausgelöst.
Bitte, bitte mehr davon.