Alle Jahre wieder steht die bekannteste, beliebteste und meist gehasste Sportsimulation ins Haus – mit FIFA 19 kommt also das regelmäßige Trikot-Update mit vielen Gründen in Ultimate Team Geld zu lassen. Moment, diesmal nicht nur das.
Denn der neue Ableger bringt nach langer Zeit endlich wieder frischen Wind auf die Konsolen und den PC. Zumindest in der aktuellen Generation, XBOX 360 und PS3 sind wie gewohnt abgespeckte Datenbank-Updates. Spielerisch fühlt sich FIFA 19 schlichtweg dynamischer an. Die Vollversion bestätigt spielerisch den Eindruck von der Gamescom Demo.
FIFA 19 im Detail
Manche wird es stören, andere werden sich freuen. Die noch recht jungen Taktikvorlagen “Den Bus parken” und “Totaler Angriff” sind aus dem Spiel verschwunden. Dafür wurde dem Schnellauswahlmenü eine Bandbreite an neuen Einstellungen verpasst. Der Spieler kann unter anderem nun Dinge auswählen wie “Außenverteidiger stürmen mit” oder “zusätzlicher Stürmer”. Das altbewährte “Hoher Druck” ist also auch nicht mehr zu finden.
Passspiel
Das Passspiel besticht durch ein realistisches Feeling. Jeder Ball macht Sinn – tatsächlich ungewöhnlich für die FIFA Reihe. Hat der Spieler einen schlechten Stand oder einen schwierigen Winkel, dann kann der Pass schon mal misslingen. Dafür ist ein schnelleres Kurzpassspiel möglich. Die sehr rasanten Stafetten eröffnen Räume, die durch einen Ball in die Tiefe genutzt werden können. Übrigens, der gelupfte tödliche Pass ist seinem Glanz aus FIFA 13 wieder sehr nah.
Verteidigung
Die Verteidigung gestaltet sich eigentlich nicht viel anders als in FIFA 18, aber erfordert stellenweise etwas mehr Geschick und Timing. Neu ist, dass Zweikämpfe auch gewonnen werden können, wenn man sich hinter dem ballführenden Spieler befindet. Oftmals verspringt die Kugel und landet wieder beim Stürmer – stets mit physikalisch korrekt wirkender Flugkurve. So kann wie schon vor Jahren versprochen endlich um jeden Ball über den halben Platz gekämpft werden. Das ringen um das Spielgerät wirkt so echter als jemals zuvor.
Offensive
Abschlüsse? Nun, hier liegt die neue Schwierigkeit in FIFA 19. Effetschüsse aus der zweiten Reihe, beziehungsweise von der Strafraumkante sind wieder effektiver geworden, Eins-gegen-eins Situationen aber ein regelrechtes Lotteriespiel. Viele Spieler empfehlen den Flachschuss, der mit R1+L1 getriggert wird, allerdings ist das auch kein Patentrezept. So kommt es nicht selten vor, dass Stürmer das halbleere Tor verfehlen, dafür aber extrem schwierige Fallrückzieher in den Winkel befördern. Das Spektakel hat also weiterhin einen hohen Stellenwert. Schade, der sonst endlich spürbare Realismus wird so ein Stück weit zerpflückt.
Hinzu kommt das neue “Timed Finishing”. Wurde die Schusstaste einmal gedrückt, laufen unsichtbar (oder sichtbar, je nach Einstellung) über dem Kopf des Spielers zwei Balken zusammen. Treffen diese sich in der Mitte muss erneut abgedrückt werden, um den Abschluss zu verstärken. Dabei geht es vor allem um Präzision. Wirklich overpowered wirkt das Feature bislang nicht. Allerdings fand die Review in der Findungsphase von FIFA 19 statt. Sollte der “Doppelschuss” doch eine gewisse Verlässlichkeit entwickeln könnte sich ein sehr großer Graben zwischen den Spielern auftun.
Torhüter
Die Torhüter kommen in allen Gemütslagen. Mal kratzt Jordan Pickford den Ball aus dem Kreuzeck, dann fälscht er einen harmlosen Abschluss ins eigene Netz ab. Besonders negativ fiel das Positionsspiel bei Eckbällen auf. Gleich drei Gegentore in einer Partie setzte es, weil der Keeper bei den Ecken jeweils entschieden zu spät kam und der Gegner ungestört ins verwaiste Tor einnicken konnte. Als Empfehlung an dieser Stelle: Lasst eure Torhüter auf der Linie kleben!
Die Optik
FIFA 19 sieht wirklich gut aus. Auch auf den normalen Modellen der aktuellen Konsolengeneration macht das Spiel nochmal einen kleinen Sprung. Verbesserte Fan-Animationen, Spieler-Mimik, Trikot-Physik und das optische Gesamtbild sind stimmig. In Cutscenes oder Loading Screens, z.B. in The Journey kann es zu mittelschweren Frame-Einbrüchen kommen.
Weitere Neuerungen
Zum Timed Finishing und dem Active Touch System, was eine bessere Ballkontrolle und -mitnahme ermöglichen soll gesellt sich der komplett überarbeitete Anstoß-Modus hinzu. Dieser beinhaltet, wie auch der Karrieremodus, die Champions League Lizenz und lässt es so zu, jede noch so kleine Begegnung als europäisches Finale auszutragen. Noch interessanter, gerade für den Multiplayer unter Freunden, sind die neuen Modi mit veränderten Regeln.
Kein Schiedsrichter? Klar, hau ihn um! Battle Royale? Wie das? Ganz einfach – wer ein Tor erzielt, verliert einen zufälligen Spieler und muss zu zehnt weitermachen. Ein taktisch geprägtes Spiel. Lange warten, bis die Offensive losgelassen wird? Oder doch früh eine hohe Führung herausschießen und dann mit sieben, acht Mann verteidigen? Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch die restlichen “Hausregeln”, die etwas an die Einstellungsmöglichkeiten in Rocket League erinnern.
Neu sind auch einige wenige Kleinigkeiten im Karrieremodus. Im Großen und Ganzen ist der nicht unbeliebte Teil der FIFA Reihe aber eine Kopie des Vorjahres. Immerhin ändern sich nun die Liga-Logos auf den Ärmeln. Immerhin.
The Journey – Champions
Alex Hunter ist zurück! Im letzten Kapitel von The Journey dreht sich alles um große Titel, große Clubs und den Kampf mit dem eigenen Charakter. Allerdings ist er nicht allein. Wie schon in FIFA 18 können auch seine Schwester Kim Hunter und sein Kumpel Danny Williams gespielt werden. Erstmals sind die beiden keine kleinen Nebenrollen, sondern können genauso wie Alex in frische Outfits gesteckt werden und erleben ihre ganz eigene Geschichte – die sich natürlich mit den anderen Handlungssträngen immer wieder überschneidet. Einige alte Gesichter feiern ihr Comeback und tragen nicht unwesentlich zum Verlauf bei.
Die Geschichten der drei Protagonisten wirken stimmig, fesseln in den Cutscenes durchaus an den Bildschirm und hinterlassen nach dem Ende eine gewisse Leere. Chapeau dafür!
Die Charakterentwicklung bedient sich vieler Klischees, übertreibt es aber nicht. Um alles sinnvoll zu erleben gibt es die Option, die Charaktere jederzeit zu wechseln. FIFA 19 gibt hier eine Empfehlung aus für “das beste Storyerlebnis”. Als die Geschichte von Kim Hunter zwischenzeitlich den beiden anderen um ein halbes Jahr voraus war und eine Szene mit Alex aus dem Kontext gerissen wirkte, verlor ich etwas das Vertrauen in das pink leuchtende Empfehlungsfenster.
Schade ist, dass es nach wie vor nicht möglich ist, die taktische Ausrichtung zu ändern. Auch bei vorgegebenen Szenen mit Rückstand oder Gleichstand gibt der Trainer keine offensive Ausrichtung vor und macht es so unnötig schwer die Vorgaben zu erfüllen. Neu ist die Möglichkeit nur mit seinen Mentoren zusammen zu spielen, die restliche Mannschaft wird von der CPU übernommen. Wirklich angenehm hat sich der Mix aber nicht angefühlt.
Unter dem Strich macht The Journey alles richtig, was es in FIFA 17 und 18 schon geschafft hat. In FIFA 20 braucht es unbedingt einen würdigen Nachfolger von Alex, oder vielleicht noch besser – eine Story im Stile von NBA 2k mit eigenem Charakter und der klassischen “Spitznamen”-Lösung.
Ultimate Team
Gut, Neuerungen sind hier zunächst nicht zu erkennen. Baue ein Team, kaufe Packs (oder lass es lieber) und spiele dich nach oben. Trotzdem gelang es EA, die hauseigene Gelddruckmaschine noch etwas aufzubessern. Und damit kommt der Branchenriese den Spielern, die eben kein Geld ausgeben möchten sehr entgegen. Die bekannte “Liga” macht Platz für “Division Rivals”, was zugleich die Daily Knockout Turniere für die Weekend League ersetzt.
Der neue Modus führt ein Overwatch-ähnliches Ranking System ein. Fünf Platzierungsmatches geben eine Division vor, die auch eine offen sichtbare Skillwertung enthält. Die Abstände erinnern doch sehr an die MMR aus Blizzards Shooter oder Riots League of Legends. Auf dieser Basis funktioniert auch das Matchmaking. Und tatsächlich schien das zu Beginn sehr gut zu funktionieren. Die Spiele waren auf Messers Schneide, oft entschied eine starke Aktion über Sieg und Niederlage.
Übrigens gibt es für “Division Rivals” in regelmäßigen Abständen Belohnungen. Hier kann der Spieler zwischen Münzen und Packs wählen. Je nach Division und erspieltem Rang fallen diese höher oder niedriger aus. Hier besteht die Gefahr einer großen Lücke zwischen den einzelnen Skillstufen. Rein aus finanzieller Sicht haben schlechtere Spieler vorerst weniger Möglichkeiten sich auch durch bessere Spieler hochzuziehen. Aber grundsätzlich scheint es EA Sports ohnehin im Sinn zu haben, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Und die Server?
Das Matchmaking funktioniert unglaublich gut. Selten dauerte eine Spielsuche länger als 5-10 Sekunden, der Ping war stets gering. Auch Ingame gab es eigentlich nie Laggs. Allerdings – und das ist besonders ärgerlich – wurde ich in unregelmäßigen Abständen dreimal aus dem Match geworfen und vom Server getrennt. Leider schafft es der Algorithmus auch im Jahre 2018 immer noch nicht, zu unterscheiden, ob der Spieler vorsätzlich das Spiel verlassen hat oder unsanft vom Rasen geschoben wurde.
Bei den Kollegen aus dem Moba-Bereich gibt es seit jeher die Möglichkeit in ein laufendes Match zurückzukehren. Wie wäre es mit einer Light-Version dieses Features? Bei Disconnect könnte innerhalb von 90 Sekunden die Verbindung wiederhergestellt werden, ansonsten wird es eben doch als Niederlage gewertet. Für viel Frust sorgt dieser Umstand bei Spielständen von 1:0, 0:0 oder 0:1 – also wenn noch alles möglich ist.
Fazit
FIFA 19 ist das FIFA auf das die Fans seit FIFA 13 gewartet haben. Frisches Spielgefühl, gute Optik und ein Ultimate Team Modus, der auch Spielern etwas zurückgibt, die kein Echtgeld in digitale Güter stecken wollen. Das Passspiel ist in Sachen Gameplay der auffälligste Pluspunkt. Die Abschlüsse sind schwerer, das Spektakel hat aber einen zu großen Stand. Wenn einfache Schüsse daneben gehen, dafür jedoch mehrere Fallrückzieher pro Spiel im Netz landen läuft etwas falsch. Die Champions League Lizenz ist das tragende Verkaufsargument – zu Unrecht. Spielerisch hat FIFA 19 viel zu bieten und sollte sich daher nicht hinter einer audiovisuellen Kosmetik verstecken.
The Journey überzeugt auch im dritten Jahr auf ganzer Linie und macht es dem eigentlich zwingenden Nachfolger in FIFA 20 sehr, sehr schwer. Aber der Karrieremodus darf so oder so gerne umfassend aufpoliert werden. Bitte.