Der Release-Monster-Monat Oktober hatte zum Abschluss noch einen Titel parat, der schon im Vorfeld als Konsolenkauf-Argument galt: Super Mario Odyssey für die Nintendo Switch. Das neue Abenteuer des bärtigen Klempners soll mit Altbewährtem und neuen Mechaniken wieder einmal begeistern. Kann das Spiel die Erwartungen erfüllen?
Anmerkung des Autoren: Vorneweg, alle technischen Wertungen gehen auf subjektive Eindrücke zurück und werden keiner Benchmark folgen.
Wie schaut’s aus?
Also der direkte Vorgänger Super Mario 3D World (rein chronologisch) sah schon verdammt gut aus und beeindruckte auf der technisch stark limitierten Wii-U mit hochauflösender Grafik und 60 fps. Der Unterschied ist, dass es hier noch lineare Level waren, die in ihrer Größe doch sehr begrenzt waren. Anders macht es Super Mario Odyssey, das mit seinen verschiedenen Welten zum Erkunden einlädt. Weil das Hauptziel des Games das Sammeln von Monden – ähnlich den Sternen in Super Mario 64 – und keine fest montierten Zielflaggen sind, bekommt der Spieler so viel Freiheit wie zuletzt in Titeln Galaxy 1 und 2. Eigentlich noch mehr.
Das Spiel läuft sehr flüssig und kann die 60 fps recht stabil halten. Spürbare Laggs waren keine vorhanden, auch die Ladezeiten sind verdammt kurz (schöne Grüße an Sonys Playstation 1 bis 4 an dieser Stelle). Die Grafik ist bombastisch schön und hebt Super Mario auf ein noch höheres Niveau, als es die Wii-U Titel taten. Das gilt auch für den Handheldmodus der Konsole. Mit einer ähnlichen Akkulaufzeit wie bei The Legend of Zelda: Breath of the Wild kann überall ausgiebig gedaddelt werden.
Features/Gameplay
Grundsätzlich spielt sich Super Mario Odyssey wie jedes moderne 3D-Mario. Die Steuerung ist sehr intuitiv und bringt abgesehen von der eigenen Tiefenwahrnehmung keine Schwierigkeiten mit sich. Mit Sprüngen zielen bleibt dennoch einfach, weil die Schatten klar gezeichnet als Orientierung dienen.
Allerdings ist mal wieder alles anders. Ein neues Feature hält Einzug in das Pilzkönigkreich und dessen Nachbarstaaten – ein Hut! Cappy stammt aus dem Hutland, einer mystischen, dunklen Welt, die von Geistern in Hutform bewohnt wird. Weil die beiden Gefährten sich den selben Feind teilen, bietet Cappy seine Hilfe an und begleitet Mario auf seinem Abenteuer als Allzweckwaffe.
Hierbei kann Marios Mütze fortan auf verschiedene Arten und Weisen auf Gegner und Münzen geschleudert werden. Längst nicht alle, aber zahlreiche Kreaturen in Super Mario Odyssey können dank Cappy “gecapert” werden. Mario ergreift dabei Besitz von Fröschen, Feuerbrüdern oder Panzern und kann diese fortan ganz autonom steuern. Neben dem liebenswerten Charakterdesign – Gumbas mit Schnurrbart?! – eröffnet diese Option ganz neue Welten und Möglichkeiten.
Aufgezwungene Bewegungssteuerung
Und dabei ist der Dinosaurier aus dem Trailer nur die Spitze des Eisbergs. Allerdings ist der Spieler zwingend auf die neue Mechanik angewiesen, um alle Geheimnisse und Monde zu entdecken. Interessant wäre es gewesen, das Spiel auch ohne Cappys Hilfe meistern zu können. Insgesamt funktioniert das neue Feature sehr gut und geht locker von der Hand. Nintendo setzt bei der Steuerung von Cappy auf eine Mischung aus Tasten- und Bewegungssteuerung. Soll die Mütze sich im Kreise drehen, um einen großen Bereich an Münzen oder Gegnern ins Visier zu nehmen, muss der verwendete Controller im Kreis geschüttelt werden.
So kommt es hin und wieder vor, dass Mario seine Kopfbedeckung in alle Richtungen schleudert, nur nicht dahin, wo sie der Spieler haben möchte. Eine rein eingabeorientierte Steuerung scheint nicht schwierig umzusetzen (drehen des rechten Sticks plus Taste?). Hier sollte Nintendo über einen Patch mit entsprechender Einstellungsoption nachdenken.
Neu ist zudem, dass Mario nicht mehr “Game Over gehen” kann. Ihr seid runtergefallen oder habt eure Hitpoints verspielt? Das kostet erstmal zehn Münzen, dann dürft ihr weitermachen. Da es mehr als genug Coins gibt und sich der Kontostand auch füllt, ohne dass es der Spieler darauf anlegen muss, verabschiedet sich ein Teil der Tradition aus dem Mario Universum. Ist das schlecht? Nun, in nahezu jedem Spiel der Reihe gab es Stellen oder Level, wo mittels bestimmter Taktiken eine unfassbare Menge 1-Ups gefarmt werden konnte. Genau genommen bleibt also alles beim alten.
Des Klempners neue Kleider
Rote Mütze, Blaue Shorts. Man kennt ihn, den Mario. Doch in Super Mario Odyssey gibt es nun sogar Shops, in denen Mario in zahlreichen Varianten eingekleidet werden kann. Von der Badehose, über den Sombrero bis hin zu einem Albert Einstein Cosplay sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Und nein, Nintendo erleichtert euch nicht um euer hart verdientes Echtgeld. Goldene Münzen und die jeweiligen begrenzten Länderwährungen dürfen ausgegeben werden.
Hier wird der Spieler bisweilen zu bestimmten Outfits genötigt, um den einen oder anderen Mond bekommen zu können. Schlimm ist das aber keinesfalls, die jeweilige Region in der passenden Kleidung zu erkunden scheint ohnehin angemessen. Indiana Jones Mario im Robo-Dschungel? Let’sa goo!
Aufgewertet wird das Farbenfeuerwerk durch 2D-Passagen, die im Stile der alten Klassiker gehalten sind. Die Regionsmusik wechselt in eine 8-Bit Version, die Mützenmechanik wird deaktiviert. Ganz wie damals, nur dass jetzt auch Pixelmonde gesammelt werden können. Dabei halten sich zwingend nötige Passagen für die Geschichte und versteckte Level in etwa die Waage.
Am Rande erwähnt, wer das Spiel ohne fremde Guides durchspielen möchte, dem bietet Nintendo eine Möglichkeit. Nach dem Abschluss der Hauptmission auf jeder Karte erscheint Toad in der Region und bietet euch für einen kleinen Betrag Tipps zum Standort weiterer Monde an. Zwar läppert sich das, aber wenn euch nur ein paar Wenige fehlen – warum nicht?
Super Mario Odyssey – Namensklärung
Warum eigentlich Odyssey? Der Begriff der Odyssey steht für eine Irrfahrt, also eine schwierige Reise ohne richtiges Ziel. Und in diesem Spiel? Ist es der Name für ein hutförmiges Raumschiff, dass wir ganz zu Beginn freispielen müssen. Damit kann Mario nach und nach in die verschiedenen Regionen reisen und auf Mondjagd gehen. Der definierte Begriff passt dennoch sehr gut, da das schlussendliche Ziel ja nicht klar ist.
Story
Die Geschichte in Super Mario Odyssey ist bahnbrechend und geradezu hollywoodreif.
Achtung, haltet euch fest.
Bowser hat Peach entführt!
…und möchte sie dieses Mal gleich heiraten. Zu diesem Zweck streift er durch die Länder und klaut sich die dazu nötigen Utensilien zusammen. Selbstredend kommt Mario stets zu spät und hat keine Wahl, außer weiter Monde zu sammeln, um im nächsten Gebiet erneut im Hintertreffen zu sein. Unterstützt wird Bowser dieses Mal von gigantischen Hasen, die ähnlich seiner bekannten Koopalinge verschiedene Fähigkeiten besitzen. Seine neuen Schergen sind selbstredend auch Teil der Bosskämpfe in den einzelnen Regionen. Diskutabel, ob das zuvor erschienene “Mario and Rabbids Kingdom Battle” damit etwas zu tun hat.
Fazit
Super Mario Odyssey vermischt Traditionen mit neuen Mechaniken und präsentiert sich als ein (nahezu) perfektes Spiel für alle Altersklassen. Die Steuerung geht leicht von der Hand, die Grafik ist fantastisch und Abwechslung ist durch die zahlreichen Rätsel und versteckten Geheimnisse durchgehend geboten. Gerade aufgrund des Anpassungssystems mit der Kleidung, Plakaten, die von Wänden geschlagen werden müssen (hust, Assassins Creed, hust) und dem einen oder anderen Gag könnte man glauben, Nintendo möchte andere Entwickler und speziell deren Mikrotransaktionen etwas auf die Schippe nehmen. Immerhin ist der Fragezeichenblock ja auch der Godfather der Lootbox!
Neben dem Verkaufserfolg der Switch selbst und dem aktuellen Zelda Ableger bleibt festzuhalten, dass Super Mario Odyssey perfekt in den Aufschwung des japanischen Gamingriesen hineinpasst. Der Titel dürfte auch die letzten vergraulten Nintendo-Fans aus ihrer Gruft geholt haben. Microsoft und Sony sind gut beraten den wiedererstarkenden Kontrahenten gut im Auge zu behalten. Immerhin ist der Kampf um den Titel “Spiel des Jahres” eine interne Pausenhofprügelei zwischen Zelda (Link) und Mario – zumindest wenn es nach den Fachmedien und vielen Fans geht.
Ich gehe jetzt weiterspielen. Wohooo!