Ausgebrochen aus seiner eigenen Bubble: Ingo Di Bella, Cheforganisator der Nürnberg Web Week, möchte, dass man sich nicht immer nur mit den gleichen Leuten umgibt. Auf der Web Week bietet er deshalb die Möglichkeit, sich zu vernetzen. In diesem Porträt beleuchten wir auch Di Bellas private Seite und erzählen, warum er das ganze Jahr über am liebsten verreisen würde. Und das nicht nur digital.
Es ist Mittwochnachmittag. Ein Zeitpunkt, an dem Ingo Di Bella normalerweise in seinem Büro sitzen würde. Doch in dieser Woche ist alles anders – es herrscht Ausnahmezustand. Die Nürnberg Web Week läuft und Ingo hat bereits die Hälfte der rund 100 Events besucht: „Ich möchte im besten Fall auf allen Veranstaltungen vorbeischauen“, meint er. Dass dieses Vorhaben bei der Veranstaltungsdichte kaum zu schaffen ist, ist ihm bewusst, stört ihn aber nicht. Ein halbes Jahr lang hat Ingo Di Bella Veranstaltungen der Nürnberg Web Week organisiert, Sponsoren geworben und vor allem viel Zeit und Energie in die Planung investiert. Ein großer Haufen Arbeit der jetzt Früchte trägt.
Raus aus der eigenen Bubble
Er sitzt auf einem schattigen Plätzchen im Nürnberger Südwestpark, hat die Beine überschlagen und schaut den Leuten zu, die gerade auf der Veranstaltung ankommen oder sie bereits wieder verlassen. Hin und wieder kommen bekannte Gesichter vorbei und Ingo nickt ihnen zu oder wechselt lächelnd ein paar Worte. Über die letzten Tage hinweg hat er viele neue Bekanntschaften gemacht und damit das geschafft, was er den Besuchern der Veranstaltungen bieten möchte: „Man muss aus der eigenen Bubble ausbrechen“, meint Ingo. Man umgebe sich im Alltag immer mit den gleichen Leuten. „Alle kennen sich und man wird zu scheu, um neue Leute einzubeziehen. Da muss man offensiv werden und die Bubble erweitern.“
Zu Fuß oder zu Flosse
Ingo wohnt mit seiner Familie in Hersbruck und hat seine Digital-Agentur User Centered Strategy GmbH in Nürnberg. Seine „Bubble“ erweitert er so oft es geht. Sobald es die Zeit und die Länge der Schulferien hergeben, zieht es ihn mit seiner Familie aus Deutschland hinaus. „Dauerhaft zu reisen, könnte ich mir schon vorstellen“, sagt er und wirkt für einen kurzen Moment an den Ort einer vergangenen Reise zurückversetzt.
Die Erinnerungen an seinen Road-Trip durch die USA, lange Südostasien-Reisen und eine Backpacker-Tour durch Malaysia oder Vietnam bringen ihn zum Träumen. „Mal was Anderes machen und an einem anderen Ort sein“ – am Strand, im Dschungel oder wenn es sich einrichten lässt auch unter Wasser. Schon dreißig bis vierzig Mal – so genau kann Ingo das gar nicht mehr sagen – hat er sich eine Sauerstoffflasche umgeschnallt und ist zusammen mit einem Tauchpartner tief in die Unterwasserwelt hinein gesunken. Ein Moment, in dem man aufeinander achten muss. „Man muss aufpassen, dass man sich unter Wasser nicht aus den Augen verliert“, erzählt er. „Jeder hat auch zwei Atemregler dabei.“ Diese Automaten sorgen für die Sauerstoffzufuhr unter Wasser. Wenn einem Tauchpartner die Luft ausgeht, dann kann er mit dem anderen auch dessen Flasche nutzen. „Am Ende steigt man zusammen wieder auf. Dann ist alles gut.“ Tauchen ist ein gemeinsames Erlebnis. Man muss sich vertrauen und zusammenarbeiten. Nicht anders ist es für Ingo über der Wasseroberfläche: Gemeinsam mit Florian Bailey leitet er die Agentur, gemeinsam mit ihm hat er den Webmontag ins Leben gerufen und damit auch den Grundstein für die Web Week gelegt.
Stress und andere “first world problems”
Im Jahr 2004 verbrachte Ingo den Urlaub mit seiner Frau in Thailand. „Wir hatten unseren Urlaub schon lange vorgesehen“, erinnert er sich. Wenige Wochen, bevor das Flugzeug abheben sollte, verwüstete der Tsunami mit fast 20 Meter hohen Wellen ganze Landabschnitte. „Dann haben wir in unserem Urlaub dort mit aufgeräumt. So ein Erlebnis erdet dich.“ Vergessen hat er das bis heute nicht, diese Erdung und Ruhe hat er damals mit nach Hause zurückgebracht. „Klar hat man als Unternehmer Stress. Stress, dass Aufträge kommen und bleiben, Stress die Gehälter auszuzahlen. Da darf man sich nicht den Kopf dran zerbrechen.“ Denn mit Stress und Aufregung lerne man umzugehen. „Du bist beim ersten Mal immer gestresst, beim zweiten Mal bist du schon ruhiger und abgehärteter.“
Nach dem Thailand-Urlaub erscheinen Ingo viele der Probleme hier belanglos. „Wie lebensfroh Menschen sein können, die alles verlieren. Sie laden dich zum Essen ein, ohne dass du ihnen dafür etwas geben sollst.“ Würden alle Menschen ein ähnliches erfahren, so ist sich Ingo sicher, würden sie sich untereinander weniger Probleme machen und auch über Grenzen hinweg besser zusammenhalten.
Von Landesgrenzen hält Ingo nichts, genau so wenig von der Beschränkung der Web Week auf Nürnberg. In Zukunft wünscht er sich noch mehr Veranstalter, die einfach die Ärmel hochkrempeln und ausprobieren. Ganz nach dem Motto: Zack, wir machen das! „Es ist eine Community Bewegung, ich habe keine Ahnung, wie sie sich entwickelt. Es sollten aber noch viel mehr Städte mitmachen.“
Weg aus dem Scheinwerferlicht
Auf der Facebook-Seite der Nürnberg Web Week sieht man ein Foto von Ingo bei der Opening Night. Eines von wenigen Fotos, auf denen er im Schein des Rampenlicht steht. In seiner Mission, „so viele Veranstaltungen zu besuchen, wie nur möglich“, übt er sich im Veranstaltung-Hopping. Oft hört er nur eine Zeit lang zu, schleicht unauffällig während der Vorträge in den Raum, nimmt sich einen Stuhl in der letzten Reihe oder lehnt sich in den Türrahmen und lauscht von dort aus den Rednern. Als er auf der Social-Media-Night in den Raum kommt, geht gerade eine Flasche zu Bruch. Also nimmt sich Ingo kurzerhand Schaufel und Besen und kehrt die Glasscherben vom Boden auf. Später, im Verlauf des Abends, geht er durch die Reihen und bietet den Besuchern kalte Getränke an: In der einen Hand hält er drei Flaschen Bier, in der anderen drei Flaschen Wasser.
Sonst bleibt er im Hintergrund und fällt nur durch sein T-Shirt mit den schwungvollen Buchstaben als Teil des Web Week-Teams auf. „Ich stehe nicht gern auf der Bühne“, erklärt er. „Sie sagen immer, ich muss auf die Bühne und manchmal gehört das eben dazu. Lieber beschäftige ich mich mit der Community-Arbeit und werde dabei auch gerne als Verantwortlicher genannt.“ Sobald Kameras oder Scheinwerferlicht im Spiel sind, tritt er lieber einen Schritt zurück, genießt still und taucht in den Schatten ab.
Autorin: Antonia Neumeier