Pen and Paper Spiele erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Wir möchten euch heute den Titel Ten Candles vorstellen. Ein Spiel, in dem ihr gar nicht überleben könnt.
Im Bereich des Pen and Paper gibt es die unterschiedlichsten Settings. Von Fantasy, dem klassischen Elfen, Zwerge, Orks Setting, über High-Fantasy, bis hin zu den World of Darkness Settings wie Vampire: Die Maskerade oder Werewolf. Bei Ten Candles handelt es sich um eine eher düster gehaltene Spielwelt, in der am Ende nur eines auf die Spieler wartet: der Tod.
Erstmal ganz von vorne
Grundsätzlich ist das Spiel jedem beliebigen Zeitalter zuzuordnen, vorzugsweise jedoch in einem Zeitalter, in dem die Technik das Leben auf der Erde bereits erleichtert. Der Clou an der Spielwelt ist der, dass auf einmal keine Sonne mehr scheint. Die Welt versinkt in absolute Finternis. Nur nachts, wenn der Mond und die Sterne besonders hell erstrahlen, kann der Spieler hier und da etwas erkennen.
Durch die totale Finsternis, funktionieren natürlich auch keinerlei Technologien mehr, die durch die Sonne angetrieben werden. Dies hatte verschiedene Aufstände zur Folge, die wiederum die gesamte Welt in ein post-apokalyptisches Zeitalter gerissen haben. Die Ressourcen werden knapp, die Angst geht um und dann sind da noch SIE.
Wer oder was SIE sind ist nicht bekannt. Das einzige, dass man als Spieler weiß, ist, dass SIE mit der Finsternis kamen. Die Charakter wissen im Normalfall nichts, außer, wenn sie SIE unter Umständen sehen können. Es geht aber ebenfalls die Theorie um, dass SIE nichts anderes sind, als die eigene Angst, die einen nach und nach in den Wahnsinn treibt.
Die Spielmechanik – Ten Candles im wahrsten Sinne des Wortes
Nichtsdestotrotz versucht die Gruppe zu überleben. Bevor das Abenteuer beginnt, gilt es einige Vorbereitungen zu treffen. Die Gruppenmitglieder geben ihren Charakteren Namen und einige Stichpunktartige Beschreibungen über Alter, Beruf oder Ähnliches mit. Auch ist es von Vorteil, wenn jeder Charakter ein einzigartiges Merkmal hat, dass ihn von den “gemeinen Menschen” unterscheidet.
Im Anschluss darauf erhält jeder Spieler eine handvoll Kärtchen. Auf ein Kärtchen schreibt jeder Spieler eine positive Eigenschaft eines Menschen auf, also beispielsweise “einfühlsam”. Diese reicht er im Uhrzeigersinn seinem Nachbar weiter, ohne, dass die anderen Beteiligten sehen, was auf dieser Karte geschrieben steht. Auf eine weitere Karte schreibt jeder Spieler eine negative Eigenschaft, beispielsweise “hinterhältig”.
Die Karte wird nun, entgegen des Uhrzeigersinns, an den Nachbarn weitergereicht. Wieder so, dass kein Anderer sehen kann, was auf dem Kärtchen vermerkt ist. Nun schreibt jeder Spieler auf einem weiteren Kärtchen auf, was ihm, in einer solch schweren Zeit, Hoffnung bereitet. Ein Beispiel hierfür wäre “den Verlobten wieder sehen”.
Diese Karte behält der Spieler, der sie geschrieben hat. Schließlich schreiben die Anwesenden auf eine Karte ein dunkles Geheimnis. So kann einer der Charaktere beispielsweise bei der Anfahrt zum Treffpunkt ein Kind überfahren und dabei Fahrerflucht begangen haben. Auch diese Karte wird wieder im Uhrzeigersinn weitergereicht. Die Kärtchen werden später im Spiel nochmal wichtig.
Das Würfelsystem
Für jedes dieser Kärtchen werden eine Bestimmte Anzahl an Kerzen angezündet. Und somit sind wir beim Würfelsystem angelangt. Jeder Spieler darf bei einer Probe so viele W(ürfel)6(seitig) würfeln, wie Kerzen am leuchten sind. Bei der allerersten Probe, darf der Spieler also 10 Würfel rollen. Eine Probe ist bestanden, wenn mindestens ein Würfen eine “6” zeigt.
Für die Anzahl der “1” in einem Wurf hat der Spieler in der nächsten Probe jedoch dieselbe Anzahl an Würfel weniger. Beispiel: Der Spieler der ersten Probe würfelt:
1 3 4 1 4 4 5 6 6 2. Die Probe ist durch die zwei “6” bestanden. Allerdings hat der Spieler auch zwei “1” gewürfelt. Das heißt die nächste Probe darf nur noch mit 8 Würfeln abgelegt werden. Dies erschwert die nächste Probe natürlich.
Sollte eine Probe nicht bestanden sein, da keine “6” gewürfelt wurde, endet die aktuelle Szene und der Spielleiter erklärt, wie es weiter geht. Vorher erlischt allerdings eine Kerze. Nun werden reihum Fakten genannt, gemäß der Anzahl an noch brennenden Kerzen. Der letzte Fakt ist (und das sagen alle zusammen): “Und wir sind am Leben”.
Wie kann ich eine misslungene Probe wiederholen?
Vor Beginn des Spiels haben die Spieler verschiedene Aspekte auf Kärtchen geschrieben. Am Anfang des Spiels werden diese Kärtchen in einer bestimmten Reihenfolge vor sich gelegt. Ganz unten: das dunkle Geheimnis. Darüber: das, was dem Charakter Hoffnung bereitet. Darüber in beliebiger Reihenfolge: die positive und negative Eigenschaft (ein Spieler darf auch die Hoffnung ganz oben platzieren).
Sobald einem Spieler eine Probe misslungen ist, darf er, mit der obersten Karte beginnend, eine Probe oder einen Teil der Probe wiederholen. Dazu muss er lediglich umgehend nach der Probe beginnen seinen Vorteil, Nachteil, Hoffnung oder dunkles Geheimnis auszuspielen. Bei ersteren Beiden ist er somit berechtigt die “1” in einem Wurf zu wiederholen.
Die ausgespielte Hoffnung erlaubt es dem Spieler eine zusätzliche Probe (in der Anzahl, der noch leuchtenden Kerzen) auszuspielen, wann immer er möchte. Dabei werden seine Würfelergebnisse nachträglich um Eins verbessert. Das kundtun des dunklen Geheimnisses bevollmächtigt den Anwender eine Probe komplett zu wiederholen.
So haben wir alles? Ach, nein da war ja noch etwas: SIE jagen euch!
Wer oder was SIE sind, erschließt sich nicht ganz. SIE sind aber das Mittel des Spielleiters, um die Geschichte voranzutreiben. So haben SIE beispielsweise auch das Recht auf Proben. Würfeln SIE dabei eine “6” endet die aktuelle Szene und SIE sind am Zug. Was SIE tun, bleibt völlig dem Spielleiter überlassen. Ob er SIE manifestiert und die Spieler sehen lässt oder, ob SIE vielleicht “nur” ein Konstrukt der menschlichen Psyche unter enormer Angst sind, das ist nicht klar.
Ziel ist es jedoch die Spieler immer weiter in die Finsternis zu treiben. Überleben wird kein Spieler das Abenteuer. Das ist auch nicht Sinn des Spiels. Zu Beginn des Spiels wird außerdem noch ein Aufnahmegerät eine wichtige Rolle spielen. In dieses Aufnahmegerät spricht jeder Charakter kurz ein paar Sätze, die er der Nachwelt hinterlassen möchte. Dies ist für das Gesamtkonzept des Spiels wichtig.
Wozu ein Spiel spielen, in dem ich ohnehin nicht überlebe?
Das ist eine gute Frage. Zugegeben, es klingt ein wenig irrational. Doch das Spiel hat eine ganz bestimmte Botschaft zu vermitteln, die Hoffnung, die in jedem von uns schlummert. Jeder Mensch hat etwas, für das er lebt. Und während des Spiels gehen die Charaktere durch eine Achterbahn der Gefühle. Freude, über einen sicheren Unterschlupf, Angst vor der Finsternis und auch große Verzweiflung.
Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem jeder Charakter seine Hoffnungskarte ausspielt. Und das bringt ihn dazu, weiterzumachen. Am Ende des Spiels wird der Charakter zwar dennoch sterben und genau dann kommen die Aufnahmen, die zum Beginn des Spiels gemacht habt, zum Einsatz. Hört euch eure “Letzten Worte für die Nachwelt” noch einmal an und lasst dies auf euch wirken.
Das Gefühl, dass ihr dabei bekommen werdet, ist kaum zu beschreiben. Das Spiel erklärt unterschwellig, dass der Tod wohl irgendwie zum Leben dazu gehört und es kein entrinnen gibt. Allerdings heißt das nicht, dass das Leben umsonst ist, sondern jeder Mensch etwas ganz wichtiges und für sich einzigartiges in sich trägt: Die Hoffnung.
Das Spiel selbst kann beim Erfinder Stephen Dewey direkt auf der Kickstarter-Seite erworben werden. Allerdings ist das Spiel im Moment nur auf Englisch erwerbbar.
Hallöle!
Gestern Abend habe ich 10 Candles als Spieler erlebt und da es ziemlich intensiv war, wollte ich mal irgendwie meine Meinung kundtun.
Vorneweg:
Ich bin recht erfahrener Pen&Paper-Spieler (sowohl als SL oder als Spieler) und spiele sonst gerne Shadowrun oder auch mal Cthulhu und habe früher viel DSA ode anderes Fantasyzeug gespielt. Dabei stehe ich auf ausschweifende Charaktererschaffung, viele Skills und dazu eine intensive Vorbereitung durch coole Backstorys der Charaktere. Dafür hat man aber nicht immer Zeit und zudem bin ich ein Spieler, der (trotz Hang zur Skill-Performance) zumeist ein sehr hohes (emotionales) Maß an Immersion spiert. Also gibt man sich mal „die völle Dröhnung“ 10 Candles…… Waaah!
Rahmenbedingungen:
Ein guter, erfahrener Spielleiter und vier weitere erfahrene Spieler (rein konventioneller RPGs), die in ihrem Leben schon oft SL gemacht haben – wobei nur ein Spieler 1x eine Runde 10C gespielt hatte. Selbst für den SL war es die Premiere.
Das Positive:
Ja, es war wirklich die volle (emotionale) Dröhnung.
Es ist echt krass, wie viel Atmossphäre, bei so wenig Vorbereitung aufkommt. Zugegebenermaßen lag dies sicher auch ein wenig an der geilen Sounduntermalung des SL und am düsteren „Cthulhu-Keller“ meines Kumpels, aber wir hatten nich einmal echte Kerzen (sondern nur LED-Fake-Teelichter), weil wir kein Feuer machen konnten – und doch war es sehr intensiv.
Die Charaktererschaffung ist erfrischend anders – erfrischend kurz – wenn man mal echt keine Zeit hat. Und sie legt natürlich einen deutlichen Fokus aufs Erzählerische/Rollenspielerische.
Da ich wie gesagt immer ein hohes Maß an Immersion spüre, war ich vorher schon sehr angespannt und gefesselt durch das Konzept, bevor es überhaupt losging.
Wir haben dann über 4 Stunden gespielt und das Spielgeschehen war durchweg „packend“ von Minute eins bis zum Schluss. Sprich: Es gab keine Längen, kein Geplänkel, nur minimalste Regeldiskussionen /-fragen und off-game Gespräche/Kommentare waren fast gleich Null – von einer „erzählerischen Actionszene in die nächste – Schlag auf Schlag BÄM!“ und jeder einzelne Würfelwurf hatte großes (erzählerisches) Gewicht!
Die volle emotionale Dröhnung: Tragik-Horror eben.
Wenn 10 Candles sich wirklich anfühlt wie ein guter Tragik-Horrorfilm, dann sind andere RPGs eher wie Tom und Jerry. Das meine ich natürlich positiv, aber nicht nur…
Das Negative:
Zumindest ich (und streckenweise auch 1-2 andere Spieler) hatten ein Problem.
Das Spiel verlangt, dass ich mit meiner Figur „Hoffnung“ spielen soll, obwohl ich als Spieler genau weiß, dass es keine Hoffnung geben wird. Ich finde es im RPG immer schade, wenn es zu viele Momente a la „Trenn mal bitte Spielerwissen von Charakterwissen“ gibt. Das raubt mir die Spannung. Das Spiel ist leider ein einziger solcher Moment. : – (
Es war alles so düster (und dazu so packend)… ich persönlich hatte schon bereits spätestens in der 3.Szene jede (gespielte) Hoffnung verloren. Das Problem war, dass damit auch die Spannung für mich abgefallen ist und auch meine Motivation und mein „Überlebenswille“ schnell arg gegen null tendierten. Vielleicht auch, weil mir relativ schnell klar wurde, dass ich es sehr wahrscheinlich noch nicht einmal schaffen würde, meinen „Moment der Hoffnung“ zu erreichen. (Im Spiel hatte ich ein kleines Kind, mit dem ich vor meinem Tod noch einmal telefonieren wollte…)
Die anderen hingegen konnten deutlich länger als ich noch mehr „spielerisches Feuer“ entwickeln, um die Handlung zu puhsen. Ich hatte schon bei Szene 3 das Bedürfnis mich zu erschießen…
Demnach habe ich mich dann fortan durch dieses sehr intensive Spiel „hindurchgelitten“.
Ich habe eine anhaltende Hoffnungslosigkeit und eine krasse Verzweiflung gespürt, die als Immersion seinesgleichen sucht. Doch am nächsten Tag heute frage ich mich, brauche ich das?
Ich habe mich nach dem Spiel (angestrengt/ausgelaugt) gefühlt wie nach einem halbstündigen Heulkrampf…
Sprich: Die Immersion war so intensiv, aber sie war für mich zu jeder Zeit zu 99% nur negativ-intensiv.
Nicht falsch verstehen – ich war nicht gelangweilt. Ich wollte einfach nur, dass dieser Horror bald endet, aber ich konnte mich nicht (zu läbsch) erschießen, da mein Char ein Kind hatte.
Leider muss man auch sagen, dass (zumindest bei uns) dass das Erzählerische und die Atmo extrem packend waren, aber die Spielmechanik offenbarte trotz ihrer Einfachheit ihre Schwächen:
– Große Teile unserer (ohnehin überschaubaren) Charakterkärtchen blieben unangetastet.
– Man neigt erzählerisch recht rasch dazu kaum noch etwas zu wagen, weil dann durch die Würfel die Szene enden konnte (man vermeidet bewusst zu würfeln…)
– Für mich (teilweise auch für die anderen) war das „Aussprechen von Wahrheiten“ zur Defintion von Szenen (unter Zeitdruck) ein bedrückendes/stressendes Gefühl…
Ich war immer geneigt so simple Dinge zu sagen wie:
„Die Wahrheit ist, die Sonne strahlt wieder…“
„Die Wahrheit ist, SIE veschwinden für alle Ewigkeit“
„Die Wahheit ist, die Avengers kommen und bekämpfen SIE…“ -.-
Aber das fühlte sich dann natürlich an wie „Cheaten“, also habe ich zumeist eher Dinge gesagt, die uns noch mehr in die Scheisse geritten haben. An dieser Stelle empfand ich die Vermischung von klassischer Spieler- und Spielleiterrolle sehr unangenehm. Ansonsten bin ich sehr gerne Spieler und auch sehr gerne SL, aber so zwischen den Stühlen zu hängen und zugleich eine spannende/dramatische Szene zu kreieren und sich gleichzeitig daraus zu befreien zu versuchen, war für mich innerlich widersprüchlich in meiner Kreativität.
Ein weiterer Punkt: Ich hatte keine Angst. Bei der vollen Dröhnung Verzweiflung kam NULL Angst auf. Und diese sollte auch mMn immer Teil der Immersion sein. Angst um den „liebgewonnenen Char“… Ansporn sich aus der Scheisse zu befreien und (hoffentlich) gestärkt daraus hervorgehen…
Das gibt es hier nicht, da man sowieso weiß, dass man draufgeht.
Zusätzlich zu der sehr spärlichen Charaktererschaffung baut man so ziemlich wenig Bindung zu seiner Figur auf. Demnach habe ich zumindest auch NULL Angst empfunden, wo ich sonst bei vielen RPG-Kämpfen um meinen Char zittere, war es hier ein: „Es ist doch eh alles im Arsch! Ich will einfach nur hier raus! Geht nicht! Ok, also Freitod!“
Leider haben die Opfer, die man bringen kann, indem man sich umbringt, auch nicht so cool funktioniert… Es kommt nicht diese emotionale Dramatik auf, wenn ich mich für die anderen ins Feuer werfe, um sie zu retten, wenn ich genau weiß, dass sie 2.Szenen später sowieso alle tot sind.
Vielleicht lag es da an uns… wir hatten zwar am Ende alle mehr oder minder spektakuläre Tode… ( selbst verbrannt im Flugzeug, ballernd oder mit zig Granaten im Schlund eines riesigen Wurms…) aber als wirklich ergreifend oder sinngebend habe ich sie nicht empfunden.
Irgendwie hat niemand den Moment seiner Hoffnung wirklich erreicht und auch wenn klar war, dass kein SC sich retten kann, haben wir auch für die fiktive Spielwelt, die wir hinterlasssen haben, nichts positives bewirken können. : – (
Fazit:
Ist der Tod im echten Leben nicht schlimm, tragisch und traurig genug?
Muss ich ihn in all seiner Verzweiflung, Tragik und Hoffnungslosigkeit in meiner Freizeit auch noch total intensiv und krass „simulieren“ ? Ich weiß nicht.
Ich habe heute das große Bedürfnis nach Sonne und Kinderlachen. Ich glaube, das sagt eine Menge.