Nach langer Wartezeit hat Sega ein neues, vollwertiges Sonic Spiel veröffentlicht. Sonic Forces soll dem Franchise um den blauen Igel neues Leben einhauchen und mit neuen Ideen begeistern. Aber das Spiel eckt mit einigen Problemen an.
Der Reihe nach. Sonic Forces ist ein weiterer Multiplattformer des Sonic Teams, der neben der aktuellen Konsolengeneration und dem PC (Steam) auch die Nintendo Switch bespielt. Angesichts der überraschenden Leistungsfähigkeit der Switch und dem Grafikstil der Sonic Reihe sollte das Spiel doch auf allen Plattformen die gleiche optische Qualität und äquivalente Perfomance haben. Oder doch nicht?
Sonic Forces wird der Switch nicht gerecht
Von Beginn an fielen mir speziell in den Zwischensequenzen pixelige Kanten auf, die sich rund um die Protagonisten ihren Lebensraum sicherstellten. Zum Teil sind deutliche Bildstörungen sichtbar (siehe Screenshot). Verwöhnt von Super Mario Odyssey blieb ich mit Fragen zurück. Warum sieht das jetzt aus wie Sonic Generations auf der XBox 360? Beziehungsweise noch schlechter? Zur Erinnerung: Sonic Generations erschien 2011! Das macht doch keinen Sinn, die Switch kann doch viel mehr!
Tatsächlich stieß ich bei der Recherche auf die Videos von LetsPlayMarkus auf Youtube, der das Game bereits vor Release aufnahm und über seine Internetleitung der Welt zugänglich machte. Im ersten Teil seines Let’s Plays sagte er:
So sah ich bereits der komprimierten YouTube-Qualität an, dass die Sequenzen sauberer aussahen und auch die “Knöpfe” im Menü weniger veraltet anmuteten. Jedoch bahnbrechend sieht Sonic Forces auch dort nicht aus. Auch die PS4 (und XBox One, PC) können definitiv mehr als das.
Dafür fehlt mir allerdings jegliches Verständnis. Spiele wie Zelda: Breath of the Wild und Super Mario Odyssey sind zwar eine andere Hausnummer und hatten wohl oder übel auch eine längere Entwicklungszeit und ein höheres Budget, doch Clips mit veralteter Qualität und leichte Frame-Einbrüche im Gameplay haben im Jahr 2017 einen faden Beigeschmack. Aus technischer Sicht ist Sonic Forces seiner Zeit hinterher.
Seltsam ist es, dass die nicht vorgerenderten Szenen, also die, in der der eigene Charakter auftritt, schärfer und klarer aussehen, als die pixeligen Clips der fixen Hauptstory. Gut, die Sequenzen mit dem eigenen Held bieten etwas weniger Details, dafür aber auch keine unsauberen Kanten oder andere Bildfehler.
Im Handheld-Modus sind viele der Schwächen nicht mehr so auffällig und können mit einem Augenzwinkern übersehen werden. Allerdings sind auch hier die Bildfehler in den Zwischensequenzen noch dabei. Man könnte fast meinen Sonic Forces sei für die mobile Variante ausgelegt worden, wenn die PS4-Version nicht nachweislich stabiler aussehen würde.
Lauf Sonic, lauf! – Das Gameplay
Das Gameplay schließt nahtlos an Sonic Generations und Konsorten an. Die Level sind schön designed und bieten fließende Übergänge von 3D- zu 2D-Abschnitten und umgekehrt. Hinzu kommen reine 2D-Level, die vorwiegend mit dem klassischen Sonic gespielt werden. Eben jener klassischer Sonic, der in Sonic Generations seinen großen Auftritt hatte.
Das Startmenü ist die digital gewordene Definition von “spartanisch”, denn mehr als einen “Start”-Button bekommt der Käufer neben dem recht einfachen Hintergrund nicht. Das nachfolgende Menü bespielt den gleichen Screen, also hat man sich hier einen separaten Startbildschirm gespart. Da das aber durchaus modern ist, kein Kritikpunkt an dieser Stelle.
Die Level können wie gewohnt in Höchstgeschwindigkeit absolviert werden, die 2D-Level bremsen etwas aus. Schön ist, dass der klassische Sonic auf sein altes Moveset limitiert ist. Das bringt reichlich Nostalgie mit sich. Hin und wieder kommt das Auge bei schnellen Abschnitten nicht ganz mit, auch weil das Bild nicht fließend genug scheint. Kleinere Framesprünge oder Verzögerungen waren durchaus dabei.
Die 3D-Missionen fühlten sich teilweise lächerlich einfach an. Die Boost-Taste war hier oft Trumpf, einzig die Schienen-Abschnitte erforderten etwas Feingefühl. Dafür fehlte dem eigenen Charakter in den 2D-Abschnitten jegliche Sensibilität. Sprünge waren kaum zu lenken und führten so immer wieder zu unnötigen Toden. Leider kommen die 3D-Abschnitte auch etwas kurz. Durch den Übergang von 3D zu 2D innerhalb von Leveln bleibt nicht viel dreidimensionale Action übrig, auch weil es zusätzlich reine 2D-Level gibt. Schade.
Mein persönlicher “Epicness”-Moment war der erste Doppelsprint von Sonic und meinem Charakter. Die Musik und die suggerierte Durchschlagskraft haben mich richtig abgeholt. Apropos Musik, der Soundtrack ist fantastisch und belebt das Spiel in allen Belangen. Von stimmungsvollen Gitarrenriffs, über schnelle Beats und durchweg schönem sowie stimmigem Gesang bis hin zu instrumentalen Wegbegleitern bleiben keine Wünsche offen. Großer, großer Pluspunkt!
Sei du selbst!
Neu ist die Charaktererstellung, die dem Spieler erlaubt eine zum Sonic-Universum passende Figur durch die Level zu jagen. Allerdings ist der Editor etwas limitiert, was angesicht von Spielen wie Dragonball Xenoverse oder auch Destiny 2 kein Beinbruch ist – auch hier sind der Individualität Grenzen gesetzt. Das Hauptunterscheidungsmerkmal sind tatsächlich die Augen, da alle Rassen den gleichen Körperbau mitbringen und auch keine dünn-dick Unterscheidung Teil des Spiels ist.
Im Laufe des Spiels verdient sich der Charakter durch abgeschlossene Level (“Missionen”) neue Kleidungsstücke, die separat pro Körperteil angepasst werden können. Die Auswahl besteht aus wenigen ernstzunehmenden, modernen Accessoires wie Halsketten oder bestimmten Brillen und vielen, vielen kindisch – bis etwas lächerlich anmutenden Items. Überzeichnete Regenbogenshirts, ein grüner (glänzender) Morphsuit oder Sandalen sind nur wenige der vielen “Highlights”. Dennoch fand ich eine Zusammenstellung, die für mich stimmig war und auch eine gewisse Coolness suggerierte.
Da der eigene Charakter nicht mit Sonic mithalten kann und nur wenige eigene Fähigkeiten hat, wird er von Beginn an mit einer Waffe ausgestattet. Zum Einstieg ist dies ein Fanghaken, der über die volle Distanz Teil des Movesets bleibt und ein Flammenwerfer, der alle Roboter auf dem Weg einfach zu Asche pulverisiert. Andere Wispons (Wisp + Weapon) bieten pixelige Doppelgänger oder Blitzkräfte. In einigen Leveln ist eine durchdachte Auswahl der Waffe zumindest zum Sammeln von roten Ringen essentiell.
Der eigene Held wird in die Geschichte nahtlos integriert und wird fortan als “Rekrut” die große Hoffnung des Widerstands. Das Gameplay mit dem Haken wirkt stellenweise etwas störrisch und langsam, macht nach einiger Zeit aber durchaus Sinn, da der Spieler ja Zeit zum Reagieren benötigt.
Story
(leichte Spoiler)
Neues Spiel? Dann los! Ach, Dr. Eggman hat eine neue Waffe entwickelt und will wieder alles erobern. Wie innovativ! Und das war der Einstieg. Tatsächlich beginnt das Spiel ohne jede Vorwarnung direkt mit einer Sequenz des verrückten Wissenschaftlers und zeigt erste Bilder seines neuen Sklaven Infinite, der sich nur kurz darauf auch den Helden rund um den blauen Igel vorstellt. Augenscheinlich sind in Sonic Forces fast alle früheren Mitstreiter von Sonic zusammengekommen, um im Widerstand zu kämpfen. Auch mit von der Partie ist natürlich Knuckles, der nach den zumindest höchst fragwürdigen Sonic Boom Spielen wieder sein klassischen Aussehen zurückbekommen hat.
Infinite, seines Zeichens Bösewicht des Spiels, sieht fantastisch aus und bringt durch sein Design und die Synchro eine tolle, düstere Stimmung mit. Übrigens sind ALLE Unterhaltungen komplett auf Deutsch synchronisiert, auch die Textgespräche zwischen den Leveln. Ebenfalls mit von der Partie war der im Juni verstorbene deutsche Sprecher Hartmut Neugebauer, der auch in Sonic Forces Dr. Eggman seine Stimme leihte. Da Neugebauer die letzten Wochen vor seinem Tod nicht mehr arbeitete, muss zumindest sein Part schon eine ganze Weile im Kasten gewesen sein.
Die deutsche Synchronisation ist sehr gut und lohnenswert zu spielen. Auch in den Bosskämpfen, die nach dem üblichen Schema ablaufen, sind kernige Sprüche enthalten. Die klassischen “renn mir nach und greif mich an, wenn ich dich lasse”- und “ich habe einen großen Roboter, der dir durch seine Angriffsarten die Chance zum Gegenfeuer gibt”-Kämpfe wurden in ihrem Aufbau nicht im geringsten verändert, passen aber auch nach wie vor perfekt zur Sonic Reihe.
Über den Verlauf muss nicht viel gesagt werden. Ein vermeintlicher Bosskampf gegen Infinite (der etwas leicht war), ein richtiger Fight gegen Dr. Eggman, der in drei Stufen abläuft und eine Jubelszene nach dem Ende mit allen Beteiligten bilden den Rahmen.
Umfang
Neben der technischen Mängel kämpft Sonic Forces mit einem zweiten großen Problem – der Zeit. Nach drei Stunden und 45 Minuten war ich mit der Story durch und sah den Abspann vor mir. Zuzüglich der wenigen Speziallevel (die eigentlich nur Waffenupgrades bringen) und einem, vor Release nicht downloadbaren, Mini-DLC, ergibt das eine Netto-Spielzeit von etwas mehr als vier Stunden. Also gibt der Casual-Gamer, der nicht unbedingt Lust auf alle Achievements und roten Ringe hat bei einem Kaufpreis von 40 Euro satte 10 Euro pro Stunde für Sonic Forces aus.
Zum Vergleich: die Story DLCs von The Witcher 3 kamen auf ungefähr 30 Stunden Netto-Spielzeit für das gleiche Geld. Auch wenn das ein Vergleich von Äpfeln mit Abrissbirnen ist, bietet Sonic Forces ein völlig absurdes Preis/Leistungs-Verhältnis. Die Individualisierungsmöglichkeiten sind nett, haben aber keinen großen Mehrwert, da es auch keinen Multiplayer gibt, um sich optisch oder mit Fähigkeiten gegen andere Spieler zu messen.
Wie soll also ein ganz normaler Spieler, der gerade im Release-starken Herbst 2017 sich jede Woche ein neues Spiel zulegt, zu mehr eigenem Aufwand angehalten werden? Die zu erspielenden Outfits sind in weiten Teilen ohnehin fast seltsam und wirken etwas willkürlich ausgewählt. Achievement-System? Hat die Switch keins, also ein Thema für andere Konsolen und Steam.
Aus anderer Sicht betrachtet hat Sonic Forces einen Pool aus 30 Leveln plus ein paar Spezialleveln und eben dem erwähnten DLC, den ich bislang nicht herunterladen konnte. Das ist der Zahl nach eine Menge, doch bei einer Spielereihe wie Sonic, in der der Spieler geradezu durch die Level fliegt viel zu wenig. Und dabei gab es durchaus einige wenige Missionen, die mich über zehn Minuten gekostet haben, weil ich an der immer gleichen fiesen Stelle gescheitert bin. Ein “Sonic Profi” schafft das Game dann wahrscheinlich in weniger als drei Stunden, inklusive fast aller Errungenschaften.
Fazit
Der eigene Charakter macht durchaus Spaß und bringt auch mit modernem und klassischem Sonic Abwechslung ins Spiel. Einen Multiplayer gibt es leider (bisher?) nicht, obwohl sich dieser aufgrund der Individualisierung durchaus angeboten hätte. An die Bewegungsphysik des eigenen Helden muss sich der Spieler erst gewöhnen, kann dann aber schöne, fehlerfreie Abschnitte abliefern. Die Level sind im Prinzip wie immer, kommen jedoch durch die angesprochenen technischen Probleme stellenweise etwas ins Stocken.
Ein absolutes Highlight, das das Spiel an den Rande einer klaren Kaufempfehlung bringt, ist der Soundtrack. Die zahlreichen besungenen Tracks und auch die instrumentalen Titel wirken so stimmig wie eigentlich noch nie zuvor. Und das obwohl die Sonic-Reihe gerade bei der musikalischen Untermalung immer glänzen konnte. Hier hätte ich mir einen Downloadcode für den offiziellen Soundtrack gewünscht – das hätte das Preis/Leistungs-Verhältnis doch stark aufgebessert.
Preis/Leistung
Denn, der Preis ist einfach zu hoch. Ganze 40 Euro für vier Stunden Spielspaß sind für den Casualgamer einfach nicht tragbar. Ein Fan, der die Jagd nach den 100 Prozent aufnehmen möchte, kann getrost ins Regal greifen. Auch ich werde noch etwas Zeit mit Sonic Forces verbringen. Unter dem Strich versäumt Sega aber ein weiteres Mal die Gelegenheit aus einer kleinen Fangemeinde eine große Käuferschaft zu machen.
Da spielt auch die limitierte technische Umsetzung eine Rolle. Die Switch hat bewiesen, dass sie zumindest mit den Full-HD Varianten der aktuellen Konsolengeneration mithalten kann, da machen die oben genannten grafischen Einschnitte einfach keinen Sinn.
Für den Verkauf des Spiels dürfte auch der Release an sich ein Problem werden. So kurz nach Super Mario Odyssey wird zumindest auf der Nintendo Switch eine nicht unbeachtliche Menge an Einheiten in den Lagern liegen bleiben. Auf den restlichen Plattformen liegt es an den Fans.
Sonic Forces macht Spaß, verschenkt aber sehr viel Potenzial. Vielleicht kann Sega ja noch mit ein paar kostenlosen DLCs überraschen. Ich würde mich freuen. Und wann kommt eigentlich Sonic Heroes 2?
Das darf nur nicht der Anspruch sein. Klar im Verhältnis steht Forces gut da, aber so bleibt das Game eines für Fans und kann nicht mehr sein. Davon ab sind die vier Stunden mit Vorsicht zu genießen, da einige Missionen bei meinem Walkthrough wegen Fehlern von mir länger gedauert haben als sie müssten.
4 Stunden sind für Sonic Forces gut, es ist länger als die letzten drei Spiele (Colours, Generations und Lost World) und dauerte nur 2 Stunden und startete bei € 60