In der Cosplay Szene herrscht helle Aufregung über eine Bildersammlung der Leipziger Buchmesse von 2016, die als Buch veröffentlicht wurde. Viele Cosplayer erkennen sich auf den Fotografien wieder und beanstanden, dass sie weder um Erlaubnis einer Aufnahme gefragt, noch dass sie über die kommerzielle Veröffentlichung in Buchform informiert wurden.
Der Artikel wurde AKTUALISIERT (15.6.2017)! Für das Update, bitte nach unten scrollen.
Ob Anime- & Manga, Filme, Serien oder Comics. Es gibt viele Conventions im Jahr in Deutschland, die jedes Klientel und jeden Fan dieser Bereiche ansprechen. Dazu gesellen sich auch Sub-Themen wie reine Sci-Fi- oder LARP-Conventions. Fandoms werden zelebriert, Stars gefeiert und alte sowie neue Freunde auf den Veranstaltungen getroffen. Überall sind ebenso zahlreiche Cosplayer vertreten. Da die Vorlagen für die Lieblingscharaktere auch in Buchform erscheinen, sind auch die großen Buchmessen in Leipzig und Frankfurt ein Anlaufpunkt für viele Cosplayer.
Die Buchmessen sind jedoch auch Magnet für viele andere Interessierte und Fachbesucher. Darunter fallen auch Menschen, die sehr wenig Berührpunkte, zu der Cosplayszene haben, aber von den Cosplayern auf den Buchmessen ebenso fasziniert sind. Nicht wenige greifen dabei gerne auch zum Smartphone oder zur mitgebrachten Kamera um die Kostüme abzulichten. In der Cosplayszene herrscht eine ungeschriebene Übereinkunft, dass zuerst gefragt wird, ob der Cosplayer mit einem Bild einverstanden ist, bevor auf den Auslöser gedrückt wird.
Auf den Messen passiert es sehr oft, dass Bilder im Vorbeigehen gemacht werden, ohne die abgelichtete Person zu fragen. Gerade Cosplayer trifft dies mit ihren auffälligen Kostümen weitaus mehr als andere Besucher der Messe. Sobald sich ein Cosplayer für einen Fotografen, der zuvor um eine Aufnahme gebeten hat, “in Pose” stellt, gesellen sich auch gerne weitere Fotografen hinzu. Selten sind hinter den Bildern mehr Absichten als der Wunsch, eine schöne Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Verrufen sind jedoch Fotografien, welche dediziert die Persönlichkeitsrechte verletzen. So zum Beispiel Bilder, die gemacht werden, während sich der Cosplayer gerade eine Pause genehmigt, mit Freunden unterhält, sein Cosplay gerade aus- oder anzieht oder kleine Reparaturen am Kostüm durchführt. Einige wenige Fotografen hegen auch den Wunsch, spezielle Bilder von nackter Haut, sogenannten “Panty Shots” oder dergleichen zu erhaschen. Abgesehen davon, dass diese Bilder eher die eigenen Trieb-gelüste befriedigen und entsprechend moralisch verwerflich sind, werfen sie auch ein schlechtes Licht auf die Fotografen und die Szene selbst.
Mach ich eben ein Buch draus
In dem jetzt vorliegenden Fall geht es vermutlich nicht um böse Absichten. Will Hofmann ist Arzt für Allgemeinmedizin und Psychologie. Seine Leidenschaft gilt dem Schreiben und der Fotografie. Er war auch Besucher der Leipziger Buchmesse im Jahr 2016 und machte dort zahlreiche Amateurfotografien von verschiedenen Cosplayern. Die Bilder wurden vom Autor über den Amazon CreateSpace, einem Self-Publishing Angebot, als Bildband zum Verkauf publiziert. Das Werk kostet aktuell 12,80€ und wird auf Bestellung gedruckt. Der Hobbyfotograf wollte die Szene wahrscheinlich nicht verärgern. So bekräftigt er in seinem Buch seine Faszination für die Kreativität der Cosplayer.
Er begeht mit seinen Fotografien allerdings einen typischen Anfängerfehler eines Szenefremden, indem er vor der Aufnahme nicht um Erlaubnis fragt und auch nicht die abgelichteten Personen von der Absicht, die Fotografien in Buchform zu veröffentlichen informiert.
In seinem Buch schreibt er nachfolgend:
Es ist umstritten ob er sich damit rechtlich genug abgesichert hat. Viele seiner Fotografien treffen die Cosplayer unvorteilhaft in den vorher beschrieben Situationen. Sie ruhen sich aus, unterhalten sich, richten sich ihr Cosplay zurecht, oder befinden sich in einer unvorteilhaften Position. Die meisten Bilder wirken wie “geknipst” und werden in der Szene oft auch als “Stalking Bilder” benannt.
Im Nachhinein, besonders wenn das Buch schon publiziert wurde, ist eine Erlaubnis schwierig. Die Publikationsform “print on demand” lässt keine Einsicht zu, wie oft das Buch in der Zeit bereits bestellt und gedruckt wurde.
Juristisch greift hier auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Grundgesetzes, genauer formuliert wurde es im Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) § 22 Satz 1, welcher besagt, dass Abbildungen einer Person grundsätzlich nur dann verbreitet oder zur Schau gestellt werden dürfen, wenn deren Einwilligung vorliegt.
Die Ausnahme von der Regel
Mit dem Gesetz wurden im Sinne der Kunst- und Pressefreiheit mehrere Ausnahmeregelungen geschaffen. So sind zum Beispiel Personen der Zeitgeschichte davon ausgenommen, da das öffentliche Interesse das Persönlichkeitsrecht überwiegt. Hier kommt es allerdings auf den Kontext an, in dem das Bild gemacht wurde. Personen der Zeitgeschichte können auch Künstler sein. Inwiefern ein Cosplayer, der sein Hobby privat ausführt, als Künstler gesehen werden kann ist fraglich. Über die Szene hinaus bekannte Cosplayer wie Jessica Nigri haben ihr Hobby längst zum Beruf gemacht und fallen damit in diese Kategorie. Dies ist aber ein Ausnahmefall. Auch wenn einige Cosplayer Fanseiten zu ihren Cosplays pflegen oder sich via Patreon unterstützen lassen, ist deren Bekanntheit doch eher auf den Szene internen Kreis beschränkt.
Was schreibt die Leipziger Buchmesse vor?
Die Veranstalter der Leipziger Buchmesse erlauben zwar das Fotografieren auf dem Gelände, haben aber im Vorfeld der LBM 2017, mit dem Wissen, dass auf ihrer Veranstaltung die Cosplay Szene und viele unterschiedliche Menschen aufeinander treffen, nochmals auf die Szene-Netiquette verwiesen.
Was bleibt nun dem Autor des Buches?
Auch wenn die Bilder bereits 2016 gemacht wurden und erst jetzt den Aufschrei auslösen, die LBM das Fotografieren grundsätzlich erlaubt und die gemachten Bilder in eine rechtliche Grauzone fallen, dessen Prüfung im Zweifel bei einem Gericht landen wird, einen Gefallen wird der Autor sich erst machen, wenn er die auf einem Flickr Album veröffentlichen Bilder wieder vom Netz nimmt und den Verkauf des Buches einstellt. Nicht wenige Cosplayer haben in einer Facebook Gruppe bereits mit Klagen gegen den Autor gedroht.
UPDATE (15.6.2017):
Der Autor Will Hofmann hat sich heute selbst zu seinem Bildband geäußert. Er bestätigt, dass er von den Cosplays einfach fasziniert gewesen sei und naiv an die Veröffentlichung heran gegangen ist. Das besagte Flickr-Album hat er gelöscht und das Buch aus Amazon enfernt.
Hier ist das volle Statement:
Die Kollegen von Cosvalley haben die Ereignisse nochmals chronologisch zusammengefasst.
Der Flickr Link führt zu einem 404 🙂
Hallo Robert. Danke für den Hinweis! Der Autor hat seine Galerie mittlerweile offline genommen. Siehe Update des Artikels.
Vom Autor leider nicht gut recherchiert. “Ist üblich” und “bekannt” das vorher gefragt wird? An einem Foto haben immer zwei Personen das Recht, aufjedenfall nach deutschen Recht. Der Fotograf hat das Urherberrecht, die abgebildete Person das Recht am eigenen Bild. Deswegen werden Verträge geschlossen bei richtigen Fotografen, damit das Model sein Recht abtritt oder ausbezahlt wird, damit es verkauft werden kann. Andersrum genauso.
Deswegen muss man IMMER fragen, bevor man jemanden fotografiert, es ist schade dass es seit elf Jahren, die ich in der Cosplayszene bin es immer noch so unklar ist und dass es nun in so einem Bildband enden musste ist unfassbar…
Ich tue mir seit Stunden schwer mit einer etwaigen Interpretation des Kunst-Urheber-Gesetzes um hier eine schlüssige Erklärung zu finden. So greift aus meiner bescheidenden Sicht z.B. der §23 KunstUrhG Absatz 1, Punkt 4:
“Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.” – ich würde sagen, dass der Cosplayer ja eine Kunstform auslebt, deren Abbildung in fotografischer Natur einem höheren Zwecke dient – nämlich der Dokumentation einer Kunstform.
Dem steht allerdings Absatz 2 gegenüber: “Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.” – Tja, jetzt ist zu klären, was ein berechtigtes Interesse ist. Das Persönlichkeitsrecht ist ein solches Interesse, aber ich es im Rahmen des berechtigt genug? Fragen über Fragen … wenn niemand klagt, werden wir darauf wohl keine Antwort erhalten.