Das Civilization Franchise lässt einen den Weg einer Zivilisation von der Wiege bis zum Informationszeitalter durchlaufen, um dabei andere Völker hinter sich zu lassen. Sumerer landen auf dem Mond, in Berlin steht das Kolosseum und Ghandi zieht nukleare Bomben dem ewigen Gerede vor. Brasilien kann aber auch nervig sein …
Mit Sid Meier’s Civilization VI geht das Franchise in die nächste Runde und bringt Tonnen von neuen Features mit sich. Die Basics sind allerdings immer noch die gleichen. Ihr gründet Städte, erkundet die Welt, forscht, baut Tiles aus und lasst eure Armeen in andere Städte einmarschieren.
Hexagonaler (Alp)traum
Das Herzstück von Civilization VI ist die Karte. Nicht nur, dass ihr eure Städte jetzt genauer durchplanen müssen (dazu später mehr), alles wurde animiert und belebt. Ein Overlay auf welchen Bereichen gerade gearbeitet wird ist selten nötig, da die Kartenanimationen euch genau das bereits wissen lassen. Hühner laufen bei der Granary herum, auf den Feldern arbeitet tatsächlich jemand und eure Entertainment Area ist gefüllt mit Leuten. Das Ganze ist ein brillanter Weg, um einem zu zeigen wie viel tatsächlich gerade in der Stadt vor sich geht ohne dabei ständig im Stadtmenü zu sitzen.
Die ganze Zeit auf Flüsse, Berge und Wüsten zu gaffen ist allerdings auch anstrengend, den in Civilization VI braucht nun alles sein passendes Tile. Besonders am Anfang kann einem das Distriktsystem einen Strich durch die Rechnung machen. Die meisten Gebäude können nur in ihren zugehörigen Distrikt gebaut werden. Distrikte kann man (fast) immer und überall bauen, ob sie effektiv sind oder nicht, das entscheidet die Karte. Eine Stadt zu gründen braucht jetzt mehr Planung den je. Vor allem wenn ihr nicht das halbe Spiel damit zubringen wollt eine falsch gesetzte Stadt irgendwie am Leben zu halten. Selbst eure Weltwunder benötigen Planung. Die Pyramiden dürfen zum Beispiel nur in der Wüste stehen UND das Tile wird unbrauchbar gemacht für jeden weiteren Nutzen. Weltwunder sind damit teilweise eher hinderlich, bestenfalls sind sie nette Boni oder sie führen zu einem Krieg mit einem anderen Herrscher. Wege werden von nun an von Handelskarawanen gebaut und schneiden nicht länger sinnlos durch die Landschaft. Eure Arbeiter dagegen haben nur noch drei Aufladungen, sind diese durch Ausbau verbraucht, braucht ihr einen neuen Arbeiter. Distrikte sind außerdem an ihre Position gebunden. Sie nicht verschieben zu können macht Sinn, sie nicht wieder abreißen zu dürfen weniger. Das führt vor allem in eroberten Städten zu Problemen, denn die anderen Völker haben scheinbar nicht mitgekriegt, dass es mehr als zwei Distrikte gibt. Rebellierende Bevölkerungen, kein Forschungscampus und kaum ausgebaute Tiles sind der Standard.
Diplomatie
Die Herrscher der jeweiligen Völker haben nicht nur keine Ahnung vom Städtebau, sie kennen auch das Wort Diplomatie nicht. Das Agendasystem ist zwar eine gute Idee, um zu wissen wie man mit der AI umgehen sollte, allerdings sind sie so unglaublich festgefahren, dass man als Spieler immer in Konflikt gerät. Wenn man nicht von Anfang an schleimt, schlechte Deals eingeht und ZUFÄLLIG die richtige Agenda erwischt, hassen sich alle letztlich gegenseitig, außer Ghandi. Diesen Hass teilen einem die jeweiligen Herrscher auch gerne theatralisch mit. Die Animationen zu dem neuem comichafteren Stil passen perfekt zur Situation. Wenn also Philip II. von Spanien mich (schon wieder) mit einem Degen bedroht, weil ich die “falsche” Religion hab, freu ich mich umso mehr, dass ich seit dem Atomaren Zeitalter einen Bomber in der Nähe seiner Hauptstadt habe, der nur darauf wartet ihm sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Das kommt davon, wenn man mir grundlos im Mittelalter den Krieg erklärt und dann einfach nicht auftaucht. Unhöflich.
Ja, solche Späße macht die AI auch gerne. Selbst wenn sie es mal rechtzeitig zum eigenen Krieg schaffen, wissen sie nicht wie man eine Stadt belagert und wuseln um einen herum, wie ein unentschlossener Schwarm Moskitos. So unfähig die Herrscher sind, so effektiv sind die Barbaren. Kümmert ihr euch nicht frühzeitig um euer Barbarenproblem, werden eure Städte ordentlich darunter leiden. Selbst wenn man mal zufällig gut mit jemandem gestellt ist, lehnt die AI grundsätzlich das Angebot der Freundschaft unsererseits ab, nur um in der nächsten Runde selbst die Freundschaft/Allianz auszurufen.
Im Gegensatz zu den Hauptvölkern sind die Citystates jetzt allerdings leicht zu verwalten. Ihr könnt Gesandte in jede Stadt schicken und bekommt, je nach Anzahl, Boni. Ob mehr Glaube, Kultur oder Gold hängt dabei von der jeweiligen Stadt ab.
Forschung und Kultur
Die Forschung unterteilt sich jetzt in zwei Bäume. Eine wird standardmäßig von eurem Science-Wert beeinflusst. Bei dem anderen handelt es sich um den Civic-Tree, der von eurem Culture-Wert gefüllt wird. Beide sind notwendig, um jede Entwicklung und Baumöglichkeit zu erhalten. Außerdem kann man durch ein “Eureka” die Hälfte der notwendigen Züge geschenkt bekommen. Dabei hat jede Forschung andere Voraussetzungen. Ab dem Midgame werden beide Teile voneinander abhängig. Erforscht man etwas im Civic-Tree erhält man ein “Eureka” für eine bestimmte Forschung und umgekehrt. Gründet ihr zum Beispiel eine Küstenstadt, bekommt ihr die Hälfte der Kosten für “Sailing” erstattet.
Diese Neuerung belebt das Early- und Midgame. Man klickt sich nicht nur sinnlos weiter, sondern sollte ungefähr wissen zu welcher Regierungsart man frühestmöglich will und wie man am effektivsten durch den Forschungsbaum kommt. Im Endgame wird der Civic-Tree allerdings eher nervig und größtenteils nutzlos.
Krieg und Frieden
Wer sich nicht durch fünf Animationen klicken will, die einen als Warmonger beschimpfen, braucht einen Casus Belli für eine Kriegserklärung. Der Grund kann dabei vielschichtig sein. Theologischer Krieg, territorial oder euch geht Spaniens Attitüde einfach gegen Strich. Erklärt ihr einen normalen Krieg, bekommt ihr diplomatische Strafen von allen anderen Spielern. Der Casus Belli soll diese Strafen geringer halten. Tut er allerdings nicht wirklich. An sich ist das Konzept eine gute Idee, aber die prozentuale Strafe ist trotz guter Gründe für den Krieg noch viel zu hoch. Außerdem ist man selbst ein Warmonger, wenn man nur das Ziel eines Krieges ist. Danke Spanien! Nicht mal zum Krieg auftauchen, aber Hauptsache alle anderen hassen mich jetzt.
Von Truppen zu Armeen
Eine Neuerung der Einheiten besteht jetzt darin, dass man Armadas und Armeen gründen kann. Damit kombiniert ihr mehrere Einheiten der selben Art und verstärkt sie. Nach einiger Zeit kann man in seinen Städten dann auch gleich eine Armee ausbilden, statt Rundenweise einzelne Einheiten zu bauen. Der eigentliche Kampf wird um einiges simpler, vor allem gegen Zivilisationen, die noch mit dem normalen Einheitenlevel ausgerüstet sind.
Der Theologische Kampf ist ein nettes Feature für die, die den religiösen Sieg anstreben. Apostel können dabei gegnerische Apostel, Inquisitoren oder Mönche bekämpfen und töten. Mit ihrem Sieg verringern sie den Einfluss der Religion des Gefallenen. Mit nur drei theologischen Einheiten ist das Ganze allerdings schnell monoton. Vor allem, wenn Ghandi mit 20 Aposteln anrückt und die Runden ordentlich in die Länge zieht. So monoton der theologische Sieg ablaufen kann, so unerwartet ist der kulturelle. Der ist nämlich viel zu einfach und geschieht meistens aus Versehen.
Fazit
Civilization VI bietet alles in allem viele Neuerungen, die das Gameplay erheblich verbessern, die aber gleichzeitig auch verbesserungswürdig sind. Vom Agendasystem, sowie der AI im allgemein, erhoffe ich mir in zukünftigen Patches/DLCs mehr. Momentan sind die Herrscher zu festgefahren und bietet zu wenig Spielraum für einen rein diplomatischen Weg, ohne dabei der schlechteste Spieler auf dem Feld zu sein. Der kulturelle Weg braucht noch eine Menge Balancing, um nicht unbeabsichtigt zu einem kulturellen Sieg zu führen, den man gar nicht angestrebt hat.
Für Spieler, die mit dem Civilization Franchise nicht wirklich vertraut sind, ist Civilization VI ein komplexer Start. Selbst lang eingespielte Veteranen brauchen eine Weile, um sich an das neue Distriktsystem und sein für-und-wieder zu gewöhnen. Die einzelnen Tiles tragen jetzt allerdings die Geschichte der Zivilisation mit sich. Wenn man eine 3000 Jahre alte Farm zu einem industriellen Distrikt umbaut oder Wälder neu aufforstet für einen National Park, jedes Tile hat zum Ende des Spielen seinen Grund und seinen Nutzen für die Stadt und die Zivilisation.
Pro | Contra |
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