Nach vielen Jahren voller Enttäuschungen und Rückschläge hat sich EA eine Pause gegönnt. Zwei Jahre nach dem letzten Ableger der Arcade-Racer-Reihe – Need for Speed Rivals – fand der so beworbene Reboot Need for Speed seinen Weg in die Regale. Die Erwartungen waren hoch: Von Tuning war die Rede, von einer offenen Spielwelt bei Nacht – kurzum, es hofften viele Fans auf Underground 3. Aber was haben wir schlussendlich bekommen?
Alles einsteigen!
Zunächst betrachten wir den Fuhrpark, der 51 Wagen aus aller Herren Länder enthält (DLCs vorbehalten). Darunter BMW, Nissan, Lamborghini, aber auch Ausreißer wie der Volvo 242 von 1975 und einige zeitlose Klassiker halten Einzug in die digitalen Garagen. Grundsätzlich kann man über die Auswahl der Autos nicht klagen, vermisst – neben den vorhandenen – jedoch einige Dauerbrenner aus den Hochzeiten der Serie. So fehlt mir persönlich doch eine größere Bandbreite an Volkswagen und auch das eine oder andere Alltagsfahrzeug. Audi sucht man übrigens vergeblich. Nichtsdestotrotz dürfte für jeden etwas dabei sein, auch wenn die Markengebundenheit des Games schnell ins Auge fällt.
Ein großer Makel bleibt die sehr kleine Garage, die bislang auch nicht erweiterbar ist. Fünf Autos? Zu wenig und frustrierend, wenn für einen neuen Boliden ein alter, liebgewonnener fahrbarer Untersatz weichen muss.
Was kann man denn nun mit den Autos anstellen? Tuning, Tuning, Tuning – allerdings eingeschränkter als man zu glauben wagte. Für viele Karossen gibt es kaum Teile, Individualisierung ist zumindest bei den Bodykits schwer umsetzbar. Entgegen steht dem eine große Auswahl an Felgen und der Vinyl-Editor, mit dem ein jeder Bastler in der Lage ist, seinem Geschoss eine individuelle Note zu verleihen. Über Nachbauten aus den Fast & Furious Filmen bis hin zu Epilepsie fördernden Logo- und Farbkombinationen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Jedoch wird es hierbei schnell fummlig, mit den Sticks rutscht man doch gerne den einen Millimeter zu weit. Außerdem fehlte zu Beginn eine Spiegelfunktion, sprich: man musste sämtliche Designs, die man bereits auf einer Seite angebracht hatte, in mühevoller Kleinarbeit auf der anderen ergänzen. Selbiges Tool wird aber per kostenlosem Patch Ende November nachgereicht. Dasselbe gilt für Neon-Röhren, die ebenfalls schmerzlich vermisst wurden – allerdings gibt es die zunächst nur an einem vorgefertigten Auto. Sollte sich die Optik bewähren, dürfen sicher bald eigene fahrende Christbäume kreiert werden.
Und das Herz?
Schließlich müssen die aufgehübschten Boliden ja auch den Sound und Speed auf die Straße bringen. Ab einem gewissen Level, dessen Limit bei 50 liegt, kann jeder Wagen bis ins schier Unermessliche aufgemotzt werden. Schon mal mit einem 1er Golf einen Lamborghini stehen gelassen? In Need for Speed kein Problem. So bietet das Game eine selten große Vielfalt an verschiedenen Bauteilen, in die investiert werden kann – da wird der Motor selbst schnell zur Nebensache. Es ist aber im Prinzip genauso simpel wie eh und je. Was am teuersten ist und numerisch die meiste Leistung bringt, wird eingebaut; eine Wissenschaft wird das Ganze auch in diesem Ableger nicht.
Wobei, Ghost hat sich das wohl auch gedacht und noch eine kleine Besonderheit eingebaut. Mit einigen Reglern ist es möglich, das Handling eines jeden Fahrzeugs den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Wer also gerne um die Kurve rutscht oder lieber gesittet abbremst, darf gerne am Masterregler drehen oder gar jedes einzelne Teil von der Handbremse bis zum Kurvenassistent selbst einstellen.
Wie schaut’s aus?
Grafisch bietet das Spiel eine Optik wie nie zuvor, reißt damit aber auch keine Bäume aus. Die stetig regennasse Straße sieht alles in allem zwar wunderbar stimmig aus, vermittelt aber auch den Eindruck, dass die Entwickler die Nässe zwingend brauchten, um das Gesamtbild zu verbessern. Wie erwartet findet das Geschehen allerdings durchgehend in der Nacht statt und schafft so die richtige Underground-Atmosphäre. Ein großer Kritikpunkt bleibt aber: Denn je dunkler die Nacht, desto mehr krieselt das Bild. Ein gar unschöner grobkörniger Filter verschleiert die wahre Schönheit und lässt Umgebung wie Autos phasenweise doch recht unscharf aussehen. Findet der Nacht-Nacht-Zyklus den Weg bis zur Dämmerung, zu der es fast taghell wird, verschwindet jegliches Bildrauschen völlig.
Was, wieviel, mit wem?
Der Umfang könnte größer sein. Eine Geschichte, die neben peinlich berührenden Cutscenes, leicht abgedrehten Charakteren und nervigem Telefonterror im Endeffekt nicht besser oder schlechter ist als die Story Lines in den vorherigen Teilen, liefert ganze 79 Events, die gefahren werden wollen. Zum Vergleich: Need for Speed Rivals bot
ganze 136 Events, je 68 für Racer- und Cop-Karriere. Allerdings fehlte dem Vorgänger jegliche Story. Der Multiplayer scheint dabei zunächst recht spaßig, glänzt aber nicht durch seine Synchronisation und führt stellenweise schnell zu Frust, wenn man sich gegenseitig abdrängt ohne sich wirklich zu berühren. An sich sind die Möglichkeiten aber weitreichend genug, um einige schöne Stunden mit Freunden in Ventura Bay zu verbringen. So kann man in Gruppen von bis zu acht Spielern an den normalen Events teilnehmen oder sich im 1on1-Quickevent messen. In eine gemeinsame Lobby zu kommen könnte dennoch einfacher sein.
Allgemein fährt es sich recht angenehm, allerdings bleibt die aus den Vorgängern bekannte Gummiband-KI ein großer Aufreger. Egal wie sehr man sich auch anstrengt und sauber fährt, zu einem beliebigen Zeitpunkt packen die CPU-Gegner einen imaginären Extra-Antrieb in ihre Boliden und schießen mit gefühlten 500 Sachen an einem vorbei. Umso schneller sind sie aber auch wieder eingeholt. So fühlt sich mancher Rennsieg wie geschenkt an. Motivation geht anders. Als weiterer großer Kritikpunkt kommt der Online-Zwang hinzu, der das Spiel ohne Internetanbindung auch in der Kampagne unspielbar macht. Außerdem fehlt ein echter Pausenmodus. Öffnet man das Menü, rollt das aufgemotzte Schmuckstück ungebremst weiter.
Fazit
EA/Ghost wollte viel, lieferte weniger als erhofft, bietet mit einem insgesamt aber durchaus soliden Arcade-Racer ein Spiel, das auch längerfristig Spaß machen kann – vorausgesetzt, die angekündigten kostenlosen DLCs verbessern den Fuhrpark und bügeln einige Macken aus. In die richtige Underground 2 / Most Wanted (2005)-Stimmung kam ich beim Spielen zwar nie so richtig, trotzdem hatte ich mit dem Game mehr Spaß als in den zehn Jahren der Serie zuvor. Das Tuning macht wirklich Laune, auch wenn es zu Beginn etwas schwerfällig wirkt . Man hat den Dreh bald raus und bastelt auch als Einsteiger das eine oder andere Schmuckstück. Die Fahrphysik fühlt sich sehr intuitiv an, ist schnell verinnerlicht und bietet Raum für Experimente. Optisch war ich aufgrund des Bildrauschens, wie oben beschrieben, etwas enttäuscht, hoffe aber auf baldige Besserung. Komischerweise macht mir auch die Geschichte Spaß, obwohl sie sämtliche Vorurteile bedient und völlig überspitzt präsentiert wird. Mir schien es zumindest in Teilen so, als wäre dem Ganzen auch eine gewisse Selbstironie anheim, die bewusst zum Schmunzeln anregen soll. Preislich sehe ich das Game mit 60€ etwas zu hoch angesetzt, für 20€ weniger würde ich aber eine Kaufempfehlung aussprechen. Fans der alten Tage dürfen jedoch getrost zugreifen.