Die Gamingkultur und der blaue „rote Teppich“
Der seit 2009 jährlich verliehene Deutsche Computerspielpreis (DCP) gastierte am 7. April in der Münchner BMW Welt. Geladen hatte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unter Alexander Dobrindt.
Die Gästeliste war gefüllt mit mehr oder weniger bekannten Politikern aus Bayern und der Republik sowie deutschen Youtubern und Prominenten. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von der Band Mia. Die Moderation übernahm Annett Möller, ihres Zeichens Peter Kloeppels Hauptvertretung bei RTL Aktuell. Das Catering war, wie die Garderobe und das Ambiente, gehoben.
Die Beleuchtung und die musikalische Untermalung der Veranstaltung vermittelten den dezenten Eindruck eines Disco-Besuchs. Zudem war der Zeitplan recht knapp bemessen. So erinnerte Annett Möller sowohl die Preisträger als auch die Laudatoren regelmäßig daran, doch bitte schnell fertig zu werden.
Dabei waren die Laudatoren ein Höhepunkt für sich. Während Minister Dobrindt trotz zahlreicher Versuche weder Authentizität noch Witz in seiner Rede zu verpacken vermochte, gelang es anderen Sprechern wesentlich besser die Menge zu begeistern. Staatssekretärin Dorothee Bär lieferte sich sichtlich amüsiert ein kleines Gefecht mit dem Minister, der ihr Kleid scherzhaft als „Modell: Schwarze Witwe“ bezeichnet hatte.
Kaya Yanar schilderte seine bereits 30 jährige Leidenschaft für Computer- und Konsolenspiele. Ungezwungen berichteten auch andere Laudatoren über ihre Passion für das Gaming. Es wurden Anekdoten ausgepackt und die Preisträger bekannt gegeben. Bis einen die zu laute Chart-Musik und das grelle Licht wieder aus der Comfort Zone rissen.
Nicht unerwähnt soll aber die Bedeutung des Preises bleiben. Neben der Wahrnehmung von Videospielen in der Öffentlichkeit können nun auch gezielt „qualitativ hochwertige, innovative sowie kulturell und pädagogisch wertvolle Computer- und Videospiele“ gefördert werden. Laut Minister Dobrindt gehört der Deutsche Computerspielpreis sogar in die Liga der großen Medienpreise. Zudem erhofft sich der Politiker in den kommenden Jahren mehr Unterstützung sowie höhere Preisgelder für den Event.
Regelmäßig wurden allerdings die Einschränkungen des DCP kritisiert. So hatten gerade Spiele mit einer hohen Altersfreigabe kaum die Möglichkeit in die engere Auswahl der Preisträger zu gelangen. Dies führte zu der Frage, ob Computerspiele in Deutschland überhaupt als Medium für Erwachsene wahrgenommen werden. Der Deutsche Computerspielpreis wurde scherzhaft als „Computerspielpreis für Kinder- und Jugendspiele“ betitelt.
Computerspiele als Kulturgut zu etablieren ist zwar eine positiv zu bewertende Entwicklung, doch sprechen viele der Kategorien nur eine kleine Zielgruppe an und auch dieses Jahr erhielten kaum große Titel Zugang in die Nominierten-Listen. Inzwischen wurde der Preis wesentlich breiter aufgestellt und auch Spiele mit hoher Altersfreigabe erhalten Einzug.
Der Umsatz der Gaming-Industrie übersteigt den der Musik- und Filmindustrie. 42 Prozent der Bundesbürger spielten 2015 Computerspiele. Trotz alledem haben digitale Spiele in Deutschlands Öffentlichkeit noch einen weiten Weg vor sich. Das zeigte auch die Verleihung des Deutschen Computerspielpreis. Erneut wurde über die Bedeutung von Gaming philosophiert und die Förderungswürdigkeit unterstrichen, anstatt sie anzuerkennen. Gaming ist längst erwachsen geworden. Genauso wie die Industrie und ihre Konsumenten. Die Aufmachung der Gala war trotz einiger technischer Pannen professionell, konnte sich aber nicht von von ihrer stiefmütterlichen Atmosphäre trennen.
Der Deutsche Computerspielpreis 2016
Übersicht der Preisträger 2016 inkl. Begründungen der Jury:
1. Bestes Deutsches Spiel (dotiert mit 100.000 Euro)
Anno 2205
Blue Byte / Ubisoft, Mainz / Rheinland-Pfalz
Jurybegründung: Der neueste Serienteil Anno 2205 überzeugt mit durchdachtem Gamedesign, neuen Ideen und ist mit einem Mix aus Zugänglichkeit und Komplexität eines der besten Spiele des Genres.
2. Bestes Nachwuchskonzept (dotiert mit insgesamt 75.000 Euro, 1. Platz 40.000 Euro, 2. Platz 25.000 Euro, 3. Platz 10.000 Euro)
1. Cubiverse
Hochschule: Media Design Hochschule München / Bayern
Jurybegründung: Mit Cubiverse verdreht das Studenten-Team Ludamus gängige Puzzlekonventionen und lässt Spieler neuartig um die Ecke denken. Das Konzept zeugt von hohem Qualitätsbewusstsein und legt Wert auf Benutzerfreundlichkeit.
2. Lost Ember
Hochschule: HAW Hamburg, Mooneye Studios / Hamburg
Jurybegründung: Unter dem Namen Lost Ember entsteht ein hoch qualitatives grafisches Abenteuer in einer magischen Welt für den PC. Geschichte, Gameplay und Grafiken sind im Konzeptstadium bereits hervorragend ausgearbeitet.
3. Leaves
Hochschule: TH Köln / Nordrhein-Westfalen
Jurybegründung: Das zielgruppengerechte Kinderspiel Leaves, das Kinder mit der Tierwelt im Wald vertraut macht, bietet einfache Rätsel mit pädagogischem Mehrwert, ohne erhobenen Zeigefinger.
3. Bestes Kinderspiel (dotiert mit 60.000 Euro) / Erstmals zwei Gewinner, die je 30.000 Euro Preisgeld erhalten.
Fiete Choice
Ahoiii Entertainment, Köln / Nordrhein-Westfalen
Jurybegründung: Fiete Choice ist ein Rätsel- und Denkspiel für die Jüngsten, das durch seine kindgerechte Gestaltung und sein altersgerechtes Gameplay überzeugt. Fiete Choice bietet Vorschulkindern einen guten und sinnvollen Einstieg in die Welt der Spiele.
Shift Happens
Klonk, München / Bayern
Jurybegründung: Shift Happens ist ein Jump’n‘Run, das durch sein durchdachtes kooperatives Rätseldesign und eine ansprechende Gestaltung überzeugt. Gemeinsam die Herausforderungen zu meistern, motiviert auch zum gemeinsamen Spielen in der Familie.
4. Bestes Jugendspiel (dotiert mit 60.000 Euro)
One Button Travel
Agnes Lison & Marcel-André Casasola Merkle, The Coding Monkeys, München / Bayern
Jurybegründung: One Button Travel ist ein liebevoll gestaltetes Text-Adventure mit einem spannenden und zuweilen nachdenklich stimmenden Messenger-Austausch mit einem Zeitreisenden aus der Zukunft.
5. Beste Innovation (dotiert mit 35.000 Euro)
The Climb
Crytek, Frankfurt / Hessen
Jurybegründung: The Climb ist eine hervorragende VR-Klettersimulation mit atemberaubender Grafik und der Beweis, dass Technologie „made in Germany“ international wettbewerbsfähig ist.
6. Beste Inszenierung (dotiert mit 35.000 Euro)
Typoman
Brainseed Factory, Headup Games, Bonn / Nordrhein-Westfalen
Jurybegründung: Typoman ist ein hervorragend inszeniertes Rätsel-Jump’n‘Run, das zeigt, dass deutsche Spiele internationales Niveau haben. Die cleveren Buchstabenrätsel ziehen schnell in ihren Bann.
7. Bestes Serious Game (dotiert mit 35.000 Euro)
Professor S.
LudInc, Berlin
Jurybegründung: Gamification in der Bildung – Professor S. ist eine unterhaltsame Mischung aus Spiel und Realwelt zur Förderung und Motivation von Kindern im Grundschulunterricht. Die notwendigen Lösungsbausteine werden durch Aufgaben des täglichen Unterrichts erstellt, die in die Plattform zurückgespeist werden.
8. Bestes Mobiles Spiel (dotiert mit 35.000 Euro)
Path of War
Envision Entertainment, Nexon M, Ingelheim am Rhein / Rheinland- Pfalz
Jurybegründung: Path of War verlässt ausgetretene Genre-Pfade und fügt dem Genre mutige Neuerungen hinzu. Ein technisch ausgereiftes, international erfolgreiches und innovatives Free-to-Play-Strategiespiel.
9. Bestes Gamedesign (dotiert mit 35.000 Euro)
Shift Happens
Klonk, München / Bayern
Jurybegründung: Charmant präsentiert und mit Spielspaß-Garantie: Shift Happens ist ein kniffliges Puzzle-Jump’n‘Run für zwei Spieler. Nur wer zusammenarbeitet, gewinnt!
10. Bestes Internationales Spiel (undotiert)
The Witcher 3: Wild Hunt
CD Projekt RED, Bandai Namco, Warschau / Polen
Jurybegründung: The Witcher 3: Wild Hunt eröffnet den Spielern eine rohe und geheimnisvolle Welt, die bevölkert wird von vielschichtigen Charakteren. Gut und Böse ist hier selten eindeutig. Vielmehr wird der Spieler oftmals vor Entscheidungen gestellt, die direkten Einfluss auf die Handlung und damit auf das individuelle Spielerlebnis haben.
11. Bestes Internationales Multiplayer-Spiel (undotiert)
Splatoon
Nintendo, Kyoto / Japan
Jurybegründung: Splatoon ist ein riesiger Spaß für die ganze Familie, bei dem zwar geschossen wird – dies aber völlig friedlich und bloß mit Farbe! Nintendo stellt mit diesem Spiel das Shooter-Genre auf den Kopf und kann auch Spieleveteranen mit dem originellen Konzept überzeugen.
12. Beste Internationale neue Spielewelt (undotiert)
The Witcher 3: Wild Hunt
CD Projekt RED, Bandai Namco, Warschau / Polen
Jurybegründung: The Witcher 3: Wild Hunt ist die stimmungsvolle und überaus packende Fortsetzung der erfolgreichen Witcher-Reihe. Ein Muss für alle Rollenspiel-Fans!
13. Sonderpreis der Jury (undotiert)
Indie Arena Booth
Jurybegründung: Mit der Indie Arena Booth auf der gamescom haben die Macher einen Gemeinschaftsstand ins Leben gerufen, der aufstrebenden Indie-Entwicklern eine öffentlichkeitswirksame Plattform zur Präsentation ihrer Produkte bietet und bei Besuchern der Messe durch die unmittelbare Nähe zu den Entwicklern viel Zuspruch fand.
14. Publikumspreis (undotiert)
The Witcher 3: Wild Hunt
CD Projekt RED, Bandai Namco, Warschau / Polen